Zu geringer Sicherheitsabstand

Vor allem junge Erwachsene fahren zu dicht auf. Das zeigen Auswertungen des Statistischen Bundesamtes.

31. Juli 2024
3 Minuten

Die Zahl der Unfälle, bei denen Menschen 2023 zu Schaden gekommen sind, ist in Deutschland erneut gestiegen. 291.890 Unfälle mit Personenschaden hat die Polizei registriert – ein Plus von 0,7 Prozent gegenüber 2022. Die Analyse der Unfallursachen zeigt: Die allermeisten Ursachen (92 Prozent) lassen sich auf menschliches Versagen zurückführen. Einer der Hauptfehler: mangelnder Sicherheitsabstand. Er machte 12,9 Prozent aller Fehlverhalten bei Unfällen mit Personenschaden aus.

Fahranfängerinnen und -anfänger sind besonders auffällig

Häufig halten junge Erwachsene keinen Sicherheitsabstand ein. 2023 war rund jeder sechste Fehler einer 18- bis 24-jährigen Person bei Unfällen mit Personenschaden ein Abstandsfehler – rund 16,2 Prozent. Damit ist es die zweithäufigste Verfehlung junger Erwachsener bei Unfällen mit Verunglückten. Häufiger verzeichnet die Statistik bei ihnen nur das Fahren mit unangepasster Geschwindigkeit als Unfallursache (etwa 19 Prozent). Bei Fahrzeugführenden im Alter zwischen 25 und 34 Jahren war unzureichender Abstand sogar die häufigste Ursache bei Unfällen mit Personenschaden (16,6 Prozent).

Distanz schafft Sicherheit

Die meisten Autofahrenden kennen die Abstandsregel „halber Tacho“. Das bedeutet: Sind Fahrende beispielsweise mit einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde unterwegs, halten sie einen Abstand von mindestens 25 Metern. Dadurch stellen sie sicher, dass sie im Notfall angemessen reagieren können. Doch häufig halten sich Verkehrsteilnehmende nicht an diese Regel, etwa beim Wechsel der Fahrspur. Dabei heißt es in § 4(1) der Straßenverkehrsordnung (StVO): „Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn plötzlich gebremst wird.“

Bei Tempo 100 legt ein Fahrzeug 28 Meter pro Sekunde zurück

Viele Verkehrsteilnehmende überschätzen ihr Reaktionsvermögen: Rund 180 Millisekunden dauert es, bis durchschnittliche Fahrende ein Hindernis erkennen und darauf reagieren. Haben sie den Blick zuvor abgewendet oder waren abgelenkt, vervielfacht sich diese Zeitspanne. Bis das Pedal durchgetreten ist und die Bremse ihre volle Wirkung entfaltet, vergeht noch eine halbe bis ganze Sekunde. Bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h legen die Fahrenden innerhalb dieser gesamten Reaktionszeit eine Fahrstrecke von etwa 28 Metern zurück. Dann erst beginnt der Bremsweg – der bei trockener Fahrbahn etwa 59 Meter lang ist. Insgesamt benötigen die Fahrenden also etwa 87 Meter, um zum Stehen zu kommen.

Besonders innerorts führt mangelnder Abstand zu Unfällen

Viele Autofahrende glauben, dass der korrekte Sicherheitsabstand nur auf der Autobahn einzuhalten ist, bestenfalls noch auf der Landstraße. Dabei führt mangelnder Abstand gerade innerorts zu Unfällen. Das zeigt die Statistik: Die Polizei hat im vergangenen Jahr 25.423 Abstandsfehler bei Unfällen mit Personenschaden innerhalb von Ortschaften registriert. Auf Landstraßen waren es 11.003, auf Autobahnen 7.728.

Die StVO schreibt auch innerorts vor, stets ausreichend Abstand zu halten. Und: Es sind auch Seitenabstände einzuhalten. Beim Überholen von Radfahrenden, zu Fuß Gehenden und E-Scooter-Fahrenden muss innerorts ein Seitenabstand von mindestens 1,5 Metern, außerorts von mindestens 2 Metern eingehalten werden. Wer dies nicht tut, muss mit 30 Euro Bußgeld rechnen. Wer ein Kind oder einen älteren Menschen auf dem Rad durch Überholen mit zu geringem Abstand gefährdet, muss ein Bußgeld von 80 Euro und einen Punkt im Flensburger Fahreignungsregister in Kauf nehmen.

So viel Sicherheitsabstand müssen Sie mindestens einhalten

Die Sicherheitsabstände sind bei schlechtem Wetter oder eingeschränkter Sicht entsprechend zu vergrößern.

Regeln für den SicherheitsabstandAbstand (mindestens)
innerorts mit 50 km/h15 m zum Vorausfahrenden
außerorts mit 100 km/h50 m zum Vorausfahrenden
außerorts mit 130 km/h65 m zum Vorausfahrenden
Überholen von Zweirädern (innerorts)1,5 m seitlicher Abstand
Überholen von Zweirädern (außerorts)2 m seitlicher Abstand
Lkw außerorts50 m zum Vorausfahrenden

Immer ausreichend Abstand halten – so geht’s

Ausreichender Sicherheitsabstand ist auf Autobahnen und Landstraßen aufgrund der hohen Fahrgeschwindigkeiten besonders wichtig. Aber auch innerorts können Sie mit dem richtigen Sicherheitsabstand Unfälle vermeiden. Hier die wichtigsten Tipps:

  • Rechnen Sie auf der Autobahn insbesondere bei dichtem Verkehr mit plötzlichen Bremsmanövern der vor Ihnen fahrenden Fahrzeuge. Wenn der erste Fahrende in einer Kolonne nur geringfügig bremst, können Bremsmanöver nachfolgender Fahrender deutlich stärker sein und sich potenzieren. Vergrößern Sie daher gerade bei viel Verkehr den Sicherheitsabstand und lassen Sie sich nicht verleiten, dicht aufzufahren.
  • Erhöhen Sie bei schlechter Sicht und schwierigen Straßen- und Witterungsverhältnissen den Abstand zu vorausfahrenden Fahrzeugen. Der Bremsweg ist bei schneebedeckter Fahrbahn beispielsweise bis zu viermal so lang wie auf trockener Straße.
  • Überholen Sie Fahrradfahrende und Leichtkraftradfahrende innerorts mit einem Seitenabstand von mindestens 1,5 Metern, außerorts mit 2 Metern Abstand. Können Sie aufgrund von Gegenverkehr oder parkenden Fahrzeugen einen solchen Seitenabstand nicht gewährleisten: Warten Sie ab und überholen Sie erst, wenn es gefahrlos möglich ist. Vermeiden Sie Überholmanöver direkt vor einer roten Ampel.
  • Denken Sie auf Autobahnen daran, dass Fahrerinnen und Fahrer von Güterkraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen stets einen Sicherheitsabstand von 50 Metern zu anderen Fahrzeugen einhalten müssen. Beim Überholen dürfen Sie Lkw-Fahrende nicht behindern, sondern müssen ausreichend Abstand halten, bevor Sie wieder einscheren.
  • Beachten Sie: Ein voll beladenes Fahrzeug, ein Anhänger oder nicht zur Witterung passende Reifen können den Bremsweg deutlich verlängern.

So werden Unfalldaten erhoben

Die Polizei trägt die Ursachen eines Verkehrsunfalls in ein sogenanntes Erhebungspapier ein. Dabei greift sie auf ein seit 1975 geltendes Ursachenverzeichnis zurück. Wichtig: Die Beamtinnen und Beamten können pro Unfall zwei allgemeine Ursachen angeben, beispielsweise Straßenverhältnisse, Witterungseinflüsse oder Hindernisse. Ebenso können sie der oder dem Hauptverursachenden und einer weiteren beteiligten Person jeweils bis zu drei personenbezogene Fehler zuschreiben. Dieses sogenannte personenbezogene Fehlverhalten umfasst beispielsweise das Missachten der Vorfahrt, Fahren mit unangepasster Geschwindigkeit und falsche Straßenbenutzung. Pro Unfall sind demnach bis zu acht Unfallursachen möglich. Das erklärt, warum die Statistik 2023 mehr personengebundene Verfehlungen von Beteiligten (354.205) als Unfälle mit Personenschaden (291.890) aufweist. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden erhält und erfasst alle Daten aus den Bundesländern und erstellt die bundesweite Verkehrs- und Unfallstatistik.

Begriffsdefinitionen

  • Unfälle mit Personenschaden sind Alleinunfälle oder Zusammenstöße, bei denen Personen verletzt oder getötet werden.
  • Schwerwiegende Unfälle mit Sachschaden sind Unfälle, bei denen als Unfallursache eine Ordnungswidrigkeit (Bußgeld) oder Straftat vorliegt und bei denen gleichzeitig ein Kraftfahrzeug aufgrund eines Unfallschadens von der Unfallstelle abgeschleppt werden muss. Das gilt z. B. auch für Fälle, bei denen die Fahrenden unter dem Einfluss berauschender Mittel stehen.
  • Verunglückte sind Personen (auch Mitfahrende), die bei einem Unfall verletzt oder getötet werden. Verunglückte werden auch als Verkehrsopfer oder Unfallopfer bezeichnet.
  • Getötete sind Personen, die innerhalb von 30 Tagen an den Folgen eines Unfalls sterben.
  • Schwerverletzte sind Personen, die unmittelbar für mindestens 24 Stunden zur stationären Behandlung in einem Krankenhaus aufgenommen werden.
  • Leichtverletzte sind Personen mit allen anderen Arten von körperlichen Schäden, die durch einen Unfall verursacht werden.
  • Beteiligte werden alle Fahrzeugführenden oder zu Fuß Gehenden genannt, die selbst (oder deren Fahrzeug) Schaden erlitten oder hervorgerufen haben. Verunglückte Mitfahrende zählen demnach nicht zu den Unfallbeteiligten.
  • Vorfahrtunfälle sind Unfälle, bei denen Fahrzeugführende anderen an sich kreuzenden Fahrbahnen oder Einmündungen die Vorfahrt nehmen.
  • Vorrangunfälle sind Unfälle, bei denen Fahrzeugführende den Vorrang von anderen Verkehrsteilnehmenden missachten, beispielsweise eine Pkw-Fahrerin oder ein Pkw-Fahrer den Vorrang eines Schienenfahrzeugs an einem Bahnübergang.

Weitere Informationen zum Thema Abstand im Straßenverkehr gibt es auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) e.V. und der Deutschen Verkehrswacht.