Die große Mehrheit (92 Prozent) aller Unfälle mit Personenschaden im Jahr 2023 war auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen. Das geht aus den Auswertungen des Statistischen Bundesamts hervor. Die häufigsten Fehler traten beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren auf. Zweithäufigste Unfallursache war das Missachten der Vorfahrt beziehungsweise des Vorrangs. 45.758 solcher Fehler machten Verkehrsteilnehmende bei Unfällen mit Personenschaden bzw. 286 bei Unfällen mit Getöteten.
Die meisten Vorfahrts- und Vorrangunfälle ereignen sich innerorts
Vorfahrts- und Vorrangunfälle sind vor allem ein innerstädtisches Problem: 45.758 Fehler dieser Art machten Verkehrsteilnehmende 2023, davon 34.779 innerorts – rund 76 Prozent! Außerdem sind Vorfahrtsverletzungen die zweithäufigste Unfallursache innerorts. In etwa jede siebte Unfallursache (14,7 Prozent) innerhalb geschlossener Ortschaften war ein Vorfahrts- oder Vorrangfehler.
222 Radfahrende starben bei Unfällen mit Pkw und Lkw
Immer wieder stehen Vorfahrts- und Vorrangunfälle zwischen motorisierten Verkehrsteilnehmenden und Fahrradfahrenden im Fokus der Öffentlichkeit. Laut Statistischem Bundesamt lag 2023 bei Fahrradunfällen mit Personenschaden in rund 80 Prozent der Fälle die Hauptschuld bei Fahrenden des Güterkraftfahrzeugs, bei Unfällen zwischen Pkw und Fahrrädern zu etwa 75 Prozent bei den Pkw-Fahrenden. Insgesamt 222 Radfahrerinnen und Radfahrer kamen bei Zusammenstößen mit Pkw und Lkw ums Leben.
55- bis 64-Jährige verursachen die meisten Vorfahrts- und Vorrangunfälle
Beim Blick auf die Altersgruppen fallen die 55- bis 64-Jährigen auf. 7.597 Mal registrierte die Polizei bei ihnen einen Vorfahrts- oder Vorrangfehler, der zu einem Unfall mit Personenschaden führte. Allerdings stellt diese Altersgruppe auch den größten Anteil an der Bevölkerung dar. An zweiter Stelle stehen die 35- bis 44-Jährigen (6.843 Vorfahrts- oder Vorrangfehler), gefolgt von den 25- bis 34-Jährigen (6.811). Größere Unterschiede gab es 2023 bei den Arten der Verkehrsbeteiligung: Die meisten Vorfahrts- oder Vorrangfehler begingen Pkw-Fahrende (36.411). 5.006 Verfehlungen nahm die Polizei bei Radfahrenden auf, 1.951 bei Fahrenden von Güterkraftfahrzeugen.
Die drei häufigsten Vorfahrts- und Vorrangfehler aller Fahrenden bei Unfällen mit Personenschaden
- Nichtbeachten der die Vorfahrt regelnden Verkehrszeichen (31.963)
- Nichtbeachten der Verkehrsregelung durch Polizeibeamte oder Lichtzeichen (6.471)
- Nichtbeachten der Regel „rechts vor links“ (5.470)
Tipps für Kraftfahrende
- Viele Unfälle mit Todesfolge ereignen sich an Kreuzungen. Deshalb sollten Sie besonders beim Rechtsabbiegen das Tempo reduzieren, den mehrmaligen Schulterblick nicht vergessen und auf Radfahrerinnen bzw. Radfahrer und Fußgängerinnen bzw. Fußgänger achten, die sich im toten Winkel befinden können.
- Wenn Sie mit dem Lkw unterwegs sind, kann ein elektronischer Abbiegeassistent helfen, Unfälle zu vermeiden. Blicken Sie beim Abbiegen mehrfach in die Spiegel, um sicherzugehen, dass sich keine am Verkehr teilnehmende Person im toten Winkel befindet.
- Nutzen Sie beim Einordnen in den fließenden Verkehr, beim Abbiegen, beim Fahren entlang einer abknickenden Vorfahrtstraße, beim Überholen und Herausfahren aus einem Kreisverkehr immer den Blinker. So tragen Sie zur Vermeidung von Vorfahrtsunfällen bei. Achten Sie beim Ausfahren aus Kreisverkehren auf zu Fuß Gehende und Radfahrende.
- Drosseln Sie an Fußgängerüberwegen (Zebrastreifen) grundsätzlich Ihr Tempo und seien Sie dort besonders bremsbereit.
Tipps für Radfahrerinnen bzw. Radfahrer und Fußgängerinnen bzw. Fußgänger
- Beachten Sie, dass Sie auf dem Fahrrad beim Nutzen eines Zebrastreifens keine Vorfahrt haben. Sie müssen absteigen und das Fahrrad über den Fußgängerüberweg schieben.
- Autofahrende und besonders Führende von Güterkraftwagen haben nur einen sehr eingeschränkten Rundumblick. Wollen diese rechts abbiegen, sollten geradeaus fahrende Radfahrerinnen und Radfahrer bzw. geradeaus gehende Fußgängerinnen und Fußgänger im Zweifel auf den Vorrang verzichten bzw. Blickkontakt aufbauen und sich vergewissern, dass sie von den abbiegenden Fahrzeugführerinnen und -führern wahrgenommen wurden.
- Sorgen Sie als Fahrradfahrerin bzw. Fahrradfahrer oder Fußgängerin bzw. Fußgänger dafür, dass Sie insbesondere bei Dunkelheit für andere Verkehrsteilnehmende gut zu sehen sind – durch Kleidung oder Zubehör aus reflektierendem und fluoreszierendem Material und durch funktionierende Beleuchtung am Rad.
- Achten Sie beim Radfahren auf kombinierten Rad- und Fußwegen auf Fußgängerinnen und Fußgänger, insbesondere auf ältere Menschen und Kinder. Rechnen Sie stets damit, dass diese auf den Radweg treten.
So werden Unfalldaten erhoben
Die Polizei trägt die Ursachen eines Verkehrsunfalls in ein sogenanntes Erhebungspapier ein. Dabei greift sie auf ein seit 1975 geltendes Ursachenverzeichnis zurück. Wichtig: Die Beamtinnen und Beamten können pro Unfall zwei allgemeine Ursachen angeben, beispielsweise Straßenverhältnisse, Witterungseinflüsse oder Hindernisse. Ebenso können sie der oder dem Hauptverursachenden und einer weiteren beteiligten Person jeweils bis zu drei personenbezogene Fehler zuschreiben. Dieses sogenannte personenbezogene Fehlverhalten umfasst beispielsweise das Missachten der Vorfahrt, Fahren mit unangepasster Geschwindigkeit und falsche Straßenbenutzung. Pro Unfall sind demnach bis zu acht Unfallursachen möglich. Das erklärt, warum die Statistik 2023 mehr personengebundene Verfehlungen von Beteiligten (354.205) als Unfälle mit Personenschaden (291.890) aufweist. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden erhält und erfasst alle Daten aus den Bundesländern und erstellt die bundesweite Verkehrs- und Unfallstatistik.
Begriffsdefinitionen
- Unfälle mit Personenschaden sind Alleinunfälle oder Zusammenstöße, bei denen Personen verletzt oder getötet werden.
- Schwerwiegende Unfälle mit Sachschaden sind Unfälle, bei denen als Unfallursache eine Ordnungswidrigkeit (Bußgeld) oder Straftat vorliegt und bei denen gleichzeitig ein Kraftfahrzeug aufgrund eines Unfallschadens von der Unfallstelle abgeschleppt werden muss. Das gilt z. B. auch für Fälle, bei denen die Fahrenden unter dem Einfluss berauschender Mittel stehen.
- Verunglückte sind Personen (auch Mitfahrende), die bei einem Unfall verletzt oder getötet werden. Verunglückte werden auch als Verkehrsopfer oder Unfallopfer bezeichnet.
- Getötete sind Personen, die innerhalb von 30 Tagen an den Folgen eines Unfalls sterben.
- Schwerverletzte sind Personen, die unmittelbar für mindestens 24 Stunden zur stationären Behandlung in einem Krankenhaus aufgenommen werden.
- Leichtverletzte sind Personen mit allen anderen Arten von körperlichen Schäden, die durch einen Unfall verursacht werden.
- Beteiligte werden alle Fahrzeugführenden oder zu Fuß Gehenden genannt, die selbst (oder deren Fahrzeug) Schaden erlitten oder hervorgerufen haben. Verunglückte Mitfahrende zählen demnach nicht zu den Unfallbeteiligten.
- Vorfahrtunfälle sind Unfälle, bei denen Fahrzeugführende anderen an sich kreuzenden Fahrbahnen oder Einmündungen die Vorfahrt nehmen.
- Vorrangunfälle sind Unfälle, bei denen Fahrzeugführende den Vorrang von anderen Verkehrsteilnehmenden missachten, beispielsweise eine Pkw-Fahrerin oder ein Pkw-Fahrer den Vorrang eines Schienenfahrzeugs an einem Bahnübergang.
Weitere Informationen zum Thema Vorfahrt gibt es auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) e.V. und der Deutschen Verkehrswacht.