Statistisch kommt es alle zwei Minuten zu einem Wildunfall in Deutschland. Anstoß genug, Antworten auf diese Fragen zu geben: Welche Technik könnte Wildunfälle zukünftig eindämmen? Wie fährt man präventiv? Und falls es doch dazu kommt: Wie reagiert man richtig, wenn ein Zusammenstoß droht?
2020 haben Autofahrerinnen und Autofahrer ihren Versicherungen rund 272.000 Wildunfälle gemeldet. Im gleichen Jahr wurden zudem rund 2.600 Menschen bei etwa 2.300 Wildunfällen – zumeist leicht – verletzt.
Und auch die bei einem Unfall verletzten oder getöteten Tiere zählen: Der „Deutsche Jagdverband“ vermerkte in seiner Wildunfall-Statistik 2019/2020 allein über 230.000 Rehe und Wildschweine, die mehrheitlich im Straßenverkehr zu Tode gekommen sind.
Wie Sie sich auch ohne Technik vor Wildunfällen schützen
Eins vorweg: Fahren wie eine „wilde Sau“ ist zu keiner Zeit angebracht! Spaß beiseite. Gerade während der Dämmerung in den frühen Morgen- und Abendstunden sowie nachts müssen Verkehrsteilnehmende mit Wildwechsel rechnen und sollten deshalb insbesondere in der Nähe von Feldern oder in Wäldern ihre Fahrgeschwindigkeit reduzieren.
Ob Sie durch ein Gebiet mit hohem Wildwechselrisiko fahren, zeigen Ihnen die Verkehrsschilder am Straßenrand an, auf denen ein springender Hirsch zu sehen ist. Auf solchen Streckenabschnitten sollten Sie besonders wachsam sein.
Es gilt: Fuß vom Gas und jederzeit bremsbereit sein!
Und plötzlich steht ein Tier auf der Straße – was dann?
Ist ein Wildtier bereits am Fahrbahnrand oder auf der Straße in Sicht, gilt es ruhig, aber schnell zu handeln:
- Fernlicht abblenden
Im grellen Licht bleiben die Tiere oftmals orientierungslos stehen. Schalten Sie also das Fernlicht aus.
- Hupen
Zusätzliches Hupen kann die Tiere in die Flucht schlagen.
- Geschwindigkeit verringern
Bremsen Sie unbedingt ab, denn gerade ein Unfall mit einem geweihtragenden, großen Tier kann lebensgefährlich sein! Lässt sich ein Unfall dennoch nicht mehr verhindern, weichen Sie nicht aus – der Zusammenprall mit einem Tier ist zumeist weniger gefährlich als der mit einem Baum, einem entgegenkommenden Auto oder ein Schwenk in den Straßengraben. Halten Sie dabei Ihr Lenkrad gut fest, um die Kontrolle über Ihren Wagen zu behalten.
Achtung, Wildtiere sind zumeist in Gruppen unterwegs – rechnen Sie mit Nachzüglern!
Wildunfallprävention: Wie kann Technik helfen?
Bei den folgenden Maßnahmen handelt es sich überwiegend um Projekte in der Testphase, die noch nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht und auf ihre Vereinbarkeit mit der Straßenverkehrsordnung hin bestätigt worden sind.
Die Bundesanstalt für Straßenwesen – ein Forschungsinstitut des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr – verfolgt die Entwicklung neuer technischer Möglichkeiten zur Prävention von Wildunfällen und gibt regelmäßig eigene Machbarkeitsstudien in Auftrag oder führt Metaanalysen bestehender Forschungsergebnisse durch. Inhaltlich werden hier verschiedene Systeme evaluiert – wie beispielsweise Apps, Nachtsichtassistenten oder eine Schilderkennung in der Navigation –, um daraus sinnvolle Maßnahmen für den Straßenverkehr abzuleiten.
Mit intelligenten Leitpfosten gegen Wildunfälle
Um Wildunfälle zu verhindern, haben die Studenten Lukas Falk und Niklas Genz von der Hochschule Magdeburg-Stendal einen Leitpfosten mit eingebautem Wildwarnsystem entwickelt. Dieser erkennt dank verschiedener Sensoren Tiere im Straßenseitenraum und signalisiert dies mittels heller LED-Lampen in beide Fahrtrichtungen. Durch die frühzeitige visuelle Warnung können Verkehrsteilnehmende ihr Fahrverhalten rechtzeitig anpassen und Zusammenstöße mit dem Wild oder Unfälle aufgrund von hastigen Ausweichmanövern vermeiden.
„Der gesamte Straßenseitenraum wird dabei von uns lückenlos detektiert, sodass kein Tier die Straße queren kann, ohne erkannt zu werden“, so Niklas Genz gegenüber „Runter vom Gas“. „Dabei decken wir jetzt schon einen Bereich von mindestens 20 Metern parallel zur Straße ab. Und unabhängig von der Beschaffenheit der Straße – also geradlinig oder kurvig – wird die Warnung aus mindestens 200 Metern Entfernung erkennbar sein. Denn die Wildwarner kommunizieren per Funk untereinander. So können in unübersichtlichen Bereichen mehrere Geräte die Signalisierung starten und eine rechtzeitige Warnung garantieren.“
Aktuell wird das Projekt noch bis April auf einer Teststrecke auf dem Campus der Hochschule Magdeburg-Stendal getestet. Doch es gibt schon Pläne für danach, verrät Genz: „Durch Kooperationen mit verschiedenen Partnern, unter anderem dem Verkehrsministerium des Landes Sachsen-Anhalt und dem Landkreis Stendal, werden uns verschiedene Strecken mit unterschiedlichen Beschaffenheiten bereitgestellt und wir werden im nächsten Jahr mit den Tests im fließenden Verkehr beginnen.“
In Zukunft will das Unternehmen „InfraSen“ sogar eine direkte Wildwarnung ins Fahrzeuginnere senden können.
Auch dieses Unternehmen lässt Leitpfosten erstrahlen: „AniMot“
Ähnlich wie bei „InfraSen“ arbeitet auch „AniMot“ an einer aktiven optischen Wildwarnung für Fahrerinnen und Fahrer. Dafür wird das vom Unternehmen entwickelte Gerät jedoch am und nicht im Leitpfosten montiert. Des Weiteren werden die Wildwechsel aufgezeichnet und gespeichert für eine umfassende Datenerhebung. Aktuell laufen auch hier verschiedene Testprojekte.
Der Wildwarner fürs Smartphone: „wuidi“
Wer durch ein Gebiet mit erhöhtem Wildwechselrisiko fährt und die App „wuidi“ auf dem Smartphone installiert hat, wird von dieser durch ein Warnsignal darauf aufmerksam gemacht. Die Daten für die Wildwarnungen basieren auf von Jägern und Autofahrern gemeldeten Gefahrenabschnitten sowie einem eigenen Algorithmus. 2017 gewann die App den „Deutschen Mobilitätspreis“.
Übrigens: Falls es doch zu einem Wildunfall kommen sollte, führt die App einen zudem durch die nächsten Schritte – zum Beispiel hilft sie, den am Unfallort zuständigen Jagdrevier-Inhaber sowie die zuständige Polizeidienststelle schnell zu kontaktieren.
Es werde Licht: Nachtsichtassistenten
Ebenfalls bei der Vermeidung von Wildunfällen helfen können in Fahrzeugen integrierten Nachtsichtassistenten. Damit sieht man Lebewesen auf der Straße dank einer Wärmebildkamera im Auto wesentlich früher als mit dem bloßen Auge und kann sein Tempo anpassen. Nachteil: Diese Technik ist überwiegend nur als Sonderausstattung in teuren Oberklassewagen erhältlich.
Von groß bis klein: tote Wildtiere melden
Das Tierfund-Kataster des Deutschen Jagdverbands hat die bundesweite Erfassung von Wildunfällen sowie anderen Totfunden von Wild zum Ziel.
Damit soll neben der Ermittlung von Wildunfallrisikogebieten auch die datenbasierte, naturschutzorientierte Verkehrsgestaltung und Landschaftsplanung (z. B. Verkehrsschutzzäune oder Querungshilfen) vorangetrieben werden. Eingeben kann man Daten mithilfe der gleichnamigen App. Vorher muss der Unfall bzw. der Funk jedoch der Polizei bzw. der zuständigen Försterei gemeldet werden.
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