Im Grundschulalter nehmen Kinder immer aktiver am Straßenverkehr teil. Ob per Bus, Rad oder zu Fuß: Die Schülerinnen und Schüler werden dadurch immer selbstständiger. Pädagoge Josef Weiß von der Deutschen Verkehrswacht (DVW) erklärt, worauf Eltern achten müssen.
Gemeinsam üben
Eltern sollte bewusst sein, dass Kinder den Straßenverkehr anders wahrnehmen als Erwachsene. Ihr Seh- und Hörvermögen sind noch nicht vollständig ausgebildet. Allein durch ihre geringere Körperhöhe haben sie einen eingeschränkten Blick auf das Geschehen. Einfach über Autos hinwegsehen? Für die meisten Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter ist das nicht möglich. Auch brauchen sie länger, um die Eindrücke auf der Straße zu verarbeiten und sind schnell abgelenkt. Das sorgt dafür, dass sie gefährliche Situationen erst später erkennen – auch weil sie Geschwindigkeiten und Entfernungen nur schwer einschätzen können.
Eltern sollten genau prüfen, was sie ihren Kindern wirklich zutrauen. Das rät Experte Josef Weiß von der Deutschen Verkehrswacht (DVW). „Grundsätzlich sind die meisten Schulwege im ersten Schuljahr zu Fuß allein möglich. Anfangs sollten die Kinder jedoch noch begleitet werden. Vor allem nach den Herbstferien kommt die Herausforderung, dass man den Schulweg im Dunkeln zurücklegt, was eine neue Anforderung an die Kinder und an die anderen Verkehrsteilnehmenden darstellt.“ Besonders dann sollten Kinder, Straßen nur an beleuchteten Stellen überqueren. Um zu testen, wie sicher sich der eigene Nachwuchs im Straßenverkehr bewegt, hilft ein kleines Rollenspiel. Einfach das Kind beim Üben vorangehen und erklären lassen, worauf es beim Schulweg achtet.
Ein weiterer Punkt: Kinder auf Unvorhergesehenes vorbereiten. Plötzlich versperrt eine Baustelle den Fußweg. Und dann? „Hier hilft es, solche Situationen vorher gemeinsam zu besprechen. Wo kann die Straße stattdessen überquert werden? Durch die gemeinsame Suche lernt das Kind sinnvolle Alternativen kennen. Erwachsene wissen, wie sie sich in solchen Momenten verhalten, Kinder können diesen Transfer noch nicht leisten.“
Spiel: richtig hingehört
Einem Mädchen oder Jungen wird zu Hause ein kleines Band oder eine Binde über die Augen gebunden. Danach führt ein Elternteil das Kind zum Beispiel mit einem Kochlöffel in der Hand durch die Wohnung. Ein Elternteil umrundet es und klappert aus verschiedenen Richtungen mit einem Schlüssel. Das Kind geht dem Klang hinterher und zeigt mit dem Löffel die Richtung an. So wird das kindliche Gehör geschult.
Die richtige Kleidung
Allgemein gilt: Kinder sollten auf ihrem Schulweg auffällige Kleidung oder Zubehör mit retroreflektierendem und fluoreszierendem Material tragen. Fluoreszierendes Material wird durch Licht aufgeladen und leuchtet dadurch heller. Kleidung mit retroreflektierenden Materialien ist schon aus weiter Entfernung von bis zu 150 Metern zu erkennen. So sorgen um Beispiel Reflektoren an der Jacke oder dem Schulranzen für mehr Sichtbarkeit. Auch Warnwesten sind sichere Begleiter auf dem Schulweg. Nur dann sind die Kids bei schlechter Sicht, Schnee oder Dunkelheit aus größerer Entfernung für andere Verkehrsteilnehmende gut zu erkennen.
Zu Fuß: lieber sicher als kürzer
In den meisten Fällen befindet sich die Grundschule nah am Wohnort, sodass fast alle Schülerinnen und Schüler den Weg auch gut allein zu Fuß zurücklegen können. Kinder sammeln auf diese Weise erste eigene Erfahrungen und bewegen sich dadurch selbstständiger im Straßenverkehr. Zudem hält der kurze Spaziergang fit und macht wach vor der ersten Schulstunde. Das sorgt für bessere Konzentration im Unterricht. Aber: Der kürzeste Weg ist nicht immer der Sicherste.
Bei der Suche nach einer sicheren Strecke helfen Schulwegpläne. Diese Ortskarten werden von den meisten Schulen ausgegeben und zeigen Straßen zur Schule, die Schulkinder gut allein meistern können. Ampeln und mögliche Gefahrenstellen sind markiert. Josef Weiß: „Kinder sollten grundsätzlich breite Fußwege und gut einsehbare Übergänge wie Mittelinseln und Kreuzungen mit Ampeln nutzen. Auch Tempo-30-Zonen sind zu empfehlen. Straßen mit vielen Kurven oder stark von Lkws befahren sind dagegen weniger sicher. Außerdem ist es gefährlich, Straßen zwischen parkenden Autos zu überqueren. Das gilt es beim gemeinsamen Üben zu vermitteln.“ An brisanten Kreuzungen entlang des Weges helfen Schülerlotsinnen und Schülerlotsen weiter.
Mit dem Rad mobil
Vor allem jüngere Kinder sind als Radfahrende im morgendlichen Berufsverkehr schnell überfordert. Denn Schülerinnen und Schüler bewegen sich frühestens ab acht oder neun Jahren einigermaßen sicher im Straßenverkehr. Die Deutsche Verkehrswacht empfiehlt, Kinder erst nach dem Abschluss der schulischen Radfahrausbildung im vierten Schuljahr allein mit dem Fahrrad zur Grundschule fahren zu lassen. „Dieser Unterricht ist eine theoretische und praktische Vorbereitung auf das Radfahren im Straßenverkehr. Die Kinder erlernen dadurch die Grundlagen zu einer eigenständigen und souveränen Verkehrsteilnahme“, erklärt Weiß.
Die Kids lernen die Grundregeln, die zentralen Verkehrszeichen sowie konzentriert zu fahren. Dabei helfen praktische Fahrübungen, um beispielsweise das Gleichgewicht zu halten.
Wichtig ist, dass die Kinder einen Helm tragen und mit einem verkehrssicheren Rad unterwegs sind. Das bedeutet zum Beispiel, dass alle notwendigen Reflektoren angebracht sind und Lichter sowie Bremsen einwandfrei funktionieren.
Wo dürfen Kinder mit dem Fahrrad fahren?
Kinder müssen bis zum vollendeten achten Lebensjahr mit dem Fahrrad auf dem Gehweg fahren. Ist jedoch ein von der Fahrbahn baulich getrennter Radweg vorhanden, dürfen dort auch Kids unter acht Jahren fahren.
Bis zum Ende des zehnten Lebensjahres dürfen sie den Fußweg noch benutzen, ab zehn Jahren müssen sie auf einem Radweg oder der Fahrbahn fahren.
Das Rad fahrende Kind unter acht Jahren darf auf dem Gehweg durch einen Elternteil begleitet werden.
Sicher ans Ziel mit Bus und Bahn
Unter jungen Grundschülerinnen und -schülern weniger verbreitet ist das Fahren mit Bus und Bahn. Diese Verkehrsmittel sind jedoch bei älteren Kindern eine oft genutzte Option und besonders beliebt nach dem Wechsel auf eine weiterführende Schule. Denn sie gelten als sehr sichere Verkehrsmittel, was die geringen Unfallzahlen bestätigen. Dennoch bedarf es auch hier einiger Übung. „Wichtig ist, die Strecke zur Haltestelle mehrmals abzugehen und dass das Kind frühzeitig losgeht. Denn Eile ist nie ein guter Ratgeber und macht unvorsichtig. Wenn das Kind sieht, dass der Bus kommt, darf es nicht einfach loslaufen.“
Beim Warten an der Haltestelle sollten sich die Schülerinnen und Schüler ebenfalls ruhig verhalten, auch wenn der Bewegungsdrang nach stundenlangem Sitzen in der Schule groß ist. Weitere Regeln, die Kinder kennen sollten:
- Mit angemessenem Abstand hinter dem Bordstein stehen. Hier ist eine Schrittlänge dahinter zu empfehlen.
- Abstand zum heranfahrenden Bus halten.
- Beim Ein- und Aussteigen nicht drängeln oder schubsen.
- Den Ranzen während der Fahrt unter dem Sitzplatz verstauen.
- Die Fahrbahn erst überqueren, wenn der Bus abgefahren ist.
Mit dem Elterntaxi an die Schulbank
Aus Sicherheitsgründen werden Kinder oft mit dem Auto zur Schule gefahren. Für viele Eltern ist es zudem praktisch, das Kind auf dem Arbeitsweg in die Schule zu bringen. Dabei sollten die Kids immer nur auf der Gehwegseite ein- und aussteigen. Bis zwölf Jahre oder unter einer Körpergröße von 1,50 Meter müssen sie mit einem Kindersitz gesichert werden. Wer älter oder größer ist, darf den normalen Dreipunktgurt nutzen.
Diese sogenannten Elterntaxis führen jedoch schnell zu einem dichten Verkehrsaufkommen vor den Schulen, sodass es für viele andere Schülerinnen und Schüler, die zu Fuß zur Schule kommen, gefährlich werden kann. Laut dem DVW-Experten ist das Bringen mit dem Auto noch aus einem anderen Grund problematisch: Kinder würden so erst später ihre eigenen Erfahrungen im Straßenverkehr machen.
Um eine direkte Ansammlung von vielen Fahrzeugen vor der Schule zu vermeiden, rät er Eltern, sie einige hundert Meter entfernt von der Schule rauszulassen – wenn die Kinder schon nicht den ganzen Weg zu Fuß zurücklegen. Dazu gibt es an vielen Schulen sogenannte „Hol-und-Bring-Zonen“. Die restlichen Meter kann man dann gemeinsam oder allein gehen – je nach Alter und Selbstständigkeit der Kinder.
Bilder: Shutterstock, DVW.