Plötzlich blitzen Blaulichter im Rückspiegel. Viele Autofahrende reagieren da überfordert und versperren den Weg. Wichtige Zeit für Rettungsdienst, Polizei oder Feuerwehr vergeht. Wir zeigen fünf Situationen aus dem Straßenverkehr – und fragen Einsatzkräfte, wie sie schneller und sicherer vorankommen würden.
Innenstadt, auf allen drei Spuren stehen Fahrzeuge vor der roten Ampel.
Von hinten nähert sich das Rettungsfahrzeug mit Blaulicht. Was tun?
Langsam vortasten, niemanden gefährden – und ausnahmsweise die Haltelinie ignorieren. „Viele Leute haben aber selbst in so einer Situation Angst, über rote Ampeln zu fahren“, beobachtet Julian Lohse. Er steuert für das Bayerische Rote Kreuz Rettungswagen durch Nürnberg. „Deutsche Autofahrer sind da sehr diszipliniert. Dabei müssen sie in so einer Situation Platz machen!“ Das bestätigt auch Wolfgang Huhmann. Der Polizist leitet das Einsatztraining an der Polizeihochschule Rheinland-Pfalz. „Wer an der roten Ampel steht, darf ein paar Meter vorfahren, um Einsatzfahrzeugen Platz zu machen“, sagt Huhmann. Angst vor Ampelblitzern müsse niemand haben. Die Bußgeldstelle könne oft schon anhand des Fotos die Situation nachvollziehen. Ein Freifahrtschein ist das aber nicht, mahnt Huhmann: „Was Sie keinesfalls tun sollten: die Kreuzung komplett überqueren und weiterfahren.“
Ein Rettungswagen fährt mit Blaulicht.
Doch seltsam: Er ist mit gerade mal 30 Stundenkilometern unterwegs. Darf ich überholen?
Besser nicht. Manchmal fahren Einsatzfahrzeuge nicht, so schnell es geht – und haben es trotzdem eilig. Der Hamburger Feuerwehrmann Andreas Beeken kennt solche Situationen: „Wenn ich zum Beispiel einen Patienten mit verletzter Wirbelsäule an Bord habe, weiche ich jedem Gullydeckel aus“, sagt Beeken. Er fährt dann mit Blaulicht nur etwa Tempo 30. „Es ist natürlich blöd, wenn uns da jemand überholt – und unsere Durchfahrt an der nächsten roten Ampel blockiert.“ Beeken rät deshalb, stets hinter einem fahrenden Fahrzeug zu bleiben, sofern es Blaulicht eingeschaltet hat. Auch Polizist Wolfgang Huhmann kennt ähnlich verwirrende Situationen. Denn Polizeiautos lassen gelegentlich das Martinshorn ausgeschaltet – aus taktischen Gründen: „Anlassbezogen nähern wir uns bei bestimmten Ereignissen leise, um Täter nicht zu warnen.“ Einsatzfahrzeuge, die nur mit Blaulicht unterwegs sind, warnen andere Verkehrsteilnehmer davor, dass sie sich im Einsatz befinden. Das Wegerecht, also „Bahn Frei“, steht ihnen jedoch nur dann zu, wenn sie zusätzlich das Einsatzhorn eingeschaltet haben.
Eine kurvenreiche Landstraße, es herrscht reger Verkehr.
Von hinten nähert sich ein Polizeifahrzeug mit Sondersignalen. Soll ich normal weiterfahren oder gar extra Gas geben?
Weder noch, rät der Polizist Wolfgang Huhmann. „Gas geben ist die schlechteste Lösung. Wir wollen Autos ja nicht vor uns hertreiben.“ Häufig würden Autofahrende lediglich leicht vom Gas gehen. „Ich würde mir wünschen, dass die Fahrer deutlich langsamer werden und nach rechts ausweichen, ohne sich selbst und andere Verkehrsteilnehmende zu gefährden“, meint Huhmann und rät dazu, auch den Blinker zu nutzen, um die eigenen Pläne anzukündigen. Allzu häufig reagierten Autofahrende erschrocken. „Oft sehen uns die Leute spät und dann folgen Harakiri-Aktionen“, sagt Huhmann. Das ist besonders für große, schwere Löschfahrzeuge brenzlig oder wenn ein Mensch im Krankenwagen liegt. „Plötzlich auf die Bremse zu treten, ist gefährlich“, sagt Julian Lohse vom Roten Kreuz. „Wenn wir dann auch stark bremsen müssen, ist die Krafteinwirkung auf unseren Patienten an Bord enorm.“
Diese Strafen drohen Blaulicht-Blockierern
Einsatzfahrzeuge zu blockieren, kann nicht nur Leben gefährden. Es kann auch teuer werden. Wer trotz Blaulicht und Martinshorn nicht sofort freie Bahn schafft, muss mit 240 Euro Bußgeld, zwei Punkten und einem Monat Fahrverbot rechnen. Ist das Einsatzfahrzeug gefährdet, erhöht sich das Bußgeld auf 280 Euro. Kommt es zum Unfall, sind 320 Euro fällig. Handelt der Autofahrer grob verkehrswidrig und rücksichtslos, begeht er sogar eine Straftat der Gefährdung des Straßenverkehrs, die Geldstrafe und Entziehung der Fahrerlaubnis nach sich zieht.
Stau auf der Autobahn
Von hinten tönt auch schon das Martinshorn. Aber kein Fahrzeug von Polizei oder Feuerwehr ist in Sicht. Dennoch Platz machen?
Bei Stau auf mehrspurigen Straßen gilt immer: Rettungsgasse bilden – auch wenn noch kein Blaulicht zu sehen ist. Zwischen dem linken und dem benachbarten Fahrstreifen muss Platz sein, damit Einsatzfahrzeuge durchkommen. „Einsatzfahrzeuge sind aber nicht immer leicht erkennbar“, sagt Polizist Wolfgang Huhmann. Die Polizei sei etwa oft mit Zivilfahrzeugen unterwegs. Und Hilfsdienste wie das THW haben sogar Bagger mit Blaulicht. Huhmann rät deshalb: „Wer ein Blaulicht sieht und Martinshorn hört, sollte hoch konzentriert sein, Platz machen und sich nicht lange fragen, ob dieses Fahrzeug nun wirklich mit Blaulicht fahren muss.“ Eine solche Fragestellung ist auch unzulässig, weil andere Verkehrsteilnehmer die Rechtmäßigkeit einer Blaulichtfahrt während des Einsatzes nicht hinterfragen dürfen.
Es staut sich stadtauswärts.
Doch der Rettungswagen muss durch. Also weicht das Einsatzfahrzeug auf die Gegenfahrbahn aus – und kommt einem als „Geisterfahrer“ entgegen. Was tun?
Möglichst langsam werden und, so weit es geht, nach rechts ausweichen. Wichtig ist hier zu wissen: Die Fahrerinnen und Fahrer von Einsatzfahrzeugen sind trainiert – und wagen eine Geisterfahrt nur im Notfall. „Wir suchen stets den Weg des geringsten Widerstands“, sagt Feuerwehrmann Beeken. „In den Gegenverkehr fahren wir natürlich immer langsam und so, dass ein Ausweichen möglich ist.“ Anders als im Actionfilm dürfen weder Feuerwehrleute noch Polizisten nach einem Unfall, an dem sie selbst beteiligt sind, einfach weiterfahren – sie müssten den aktuellen Einsatz abbrechen und ein anderes Einsatzfahrzeug muss von der Zentrale beauftragt werden. „Deshalb suchen wir auf der Straße immer ein Miteinander“, sagt der Polizist Huhmann. „Uns ist bewusst, dass viele Verkehrsteilnehmer in Stress geraten und verunsichert sind.“