Auf dem Ohr die Musik der Lieblingsband, auf dem Smartphone-Display die aktuellen News, ein Chat im Messenger – und dabei zu Fuß unterwegs: Die „Generation Kopf unten“ ist ein weltweites Phänomen. Und wenn sie auf den Straßenverkehr trifft, auch ein gefährliches.
Denn Fußgänger sind völlig ungeschützt und daher besonders gefährdete Verkehrsteilnehmer.
Daher gibt es vielerorts Ideen und Maßnahmen, um solche Smartphone-Zombies, kurz „Smombies“, dazu zu bringen, sich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren. Sich selbst und allen anderen Verkehrsteilnehmern zuliebe. Doch letztlich erfüllen die meisten ihren Zweck nicht.
Auf der Strecke bleiben: „Smombie“-Spuren in Belgien, China, Litauen und den USA
Zum Beispiel diese: Wenn es für jeden Verkehrsteilnehmer eigene Wege gibt, warum dann nicht auch für „Smombies“? Das dachten sich findige Menschen in Belgien, China, Litauen und den USA.
Ihre Idee: Wer zombiehaft abgeschottet von der Umwelt geradeaus laufen will und Augen und Ohren nur den Inhalten seines Smartphones widmet, der bekommt einfach seine eigene Spur. Und so entstanden mehrere auf den Boden gemalte „Smombie“-Gehwege.
Eine Idee, die Aufmerksamkeit garantiert. Kein Wunder also, dass alle Versuche in diesen Ländern auf Unternehmen zurückgingen, die sich in sozialen Netzwerken inszenieren wollten.
Aber: Einfach eine eigene Spur anzulegen und so in den Straßenverkehr einzugreifen, ist ohne behördliche Genehmigung natürlich nicht erlaubt.
Und vor allem: Wirklichen Schutz bieten die auf den Boden gemalten Wege ohnehin nicht. Schlimmstenfalls wiegen sich deren Benutzer sogar in falscher Sicherheit. Solche „Smombie“-Gehwege sind keine Lösung, sondern allenfalls eine Spaß-Aktion.
Der letzte Schrei: Sprechende Busse in den USA
Eine andere Maßnahme aus den USA: Da nicht an jeder Kreuzung Aufpasser stehen können, um abgelenkte Fußgänger vor abbiegenden Fahrzeugen zu warnen, lassen verschiedene Verkehrsgesellschaften in Städten wie Cleveland, Baltimore oder Portland Busse sprechen.
Dafür werden die Fahrzeuge mit großen Sensoren an der Vorderseite ausgestattet. Sie registrieren Personen im Risikobereich und warnen mit einer schlichten Botschaft: „Fußgänger: Der Bus biegt ab.“ Die automatische Lautsprecherdurchsage soll vor Zusammenstößen schützen.
Ganz ausgereift war die Technik bei ihrer Einführung 2009 allerdings nicht. Zu oft ertönte die Stimme einfach so. Und zwar so laut, dass viele es als Lärmbelästigung empfanden. Einige Busbetreiber installierten daraufhin eine sanftere Stimme.
Trotzdem: Durchgesetzt hat sich die Technik bislang nicht. In Portland wurden die Busse nach drei Jahren sogar wieder gänzlich zum Schweigen gebracht. Zudem bleibt das Risiko durch andere abbiegende Fahrzeuge bestehen. Die Fußgänger müssen also immer aufmerksam bleiben - nicht nur bei akustischen Warnungen.
Tödliche Unfälle: Fußgänger sind am häufigsten betroffen
23 Prozent aller Verkehrstoten weltweit sind Fußgänger. Das hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrer aktuellen Verkehrsstatistik ermittelt. In Europa sieht es ähnlich aus: 2017 waren 21 Prozent der im Straßenverkehr tödlich Verunglückten zu Fuß unterwegs.
Wie viele „Smombies“ unter diesen Verkehrstoten waren, lässt sich den Statistiken nicht entnehmen. Doch sicher ist: Ablenkung ist eine der größten Gefahren im Straßenverkehr.
Gleiches mit Gleichem vergelten: Smartphone-Apps aus den USA und Korea
Eine andere Idee: Den Smartphone-Nutzer dort gedanklich abholen, wo er gerade ist – tief versunken in der virtuellen Welt seines Mobiltelefons.
So entstanden zwei Forschungsprojekte in den USA. Entwickelt wurden Smartphone-Apps, mit deren Hilfe Fußgänger sicherer unterwegs sein sollen.
Beide Applikationen sollen „Smombies“ wachrütteln und senden dazu Warnhinweise auf die Mobiltelefone, wenn ein Unfall droht. Während das System der einen App die Standorte von Smart Cars erfasst und so Risiken im direkten Umfeld erkennen soll, arbeitet die andere Anwendung mit Bilderkennungssoftware: Die Frontkamera des Smartphones registriert potenzielle Gefahrenquellen in Echtzeit. Der kleine Helfer rüttelt aber nur kurzfristig wach, nachhaltig ist das nicht.
Ohnehin haben beide Konzepte ihre Schwächen in der Identifikation aller potenziellen Gefahren.
Einfacher und wirkungsvoller ist eine App aus Korea: Das Mobiltelefon schaltet sich ab, sobald Sensoren bemerkten, dass sich der Nutzer bewegt.
Unerkannte Gefahr
Viele Fußgänger in Deutschland sind sich der Gefahr, der sie sich mit dem Smartphone im Straßenverkehr aussetzen, nicht bewusst. Mehr als die Hälfte von ihnen hält Ablenkung durch Mobiltelefone für gänzlich ungefährlich.
Das ergab eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Verkehrssicherheitskampagne „Runter vom Gas“.
Unten durch: Bodenampeln in Deutschland und den Niederlanden
Wenn ohnehin schon alle nach unten schauen, dann kann man doch auch einfach Ampeln am Boden anbringen. Dann sehen auch „Smombies“, wenn an der Kreuzung die Ampel rot leuchtet.
Das zumindest haben sich Verkehrsbünde in verschiedenen Städten gedacht. In Frankfurt, Köln und Augsburg wurden bereits Bodenampeln getestet. Beispiele, die auch in den Niederlanden Schule machten.
Ob die „Bompeln“, wie sie liebevoll genannt werden, eine große Zukunft haben, ist dennoch fraglich. 20.000 Euro hat beispielsweise die Stadt Augsburg für die Bodensignale an zwei Straßenbahnhaltestellen ausgegeben.
Der Test in Köln wiederum zeigte, dass sich das Problem dort so nicht lösen ließ. Im Gegenteil: Im Testzeitraum erhöhte sich die Zahl der Rotsünder sogar.
Und noch viel schlimmer: Diese Tests bestärken das Fehlverhalten und damit auch die Unaufmerksamkeit der Fußgänger. So gewöhnen sie sich noch mehr daran, sich nicht auf das Verkehrsgeschehen zu konzentrieren. Müssen sie dann zum Beispiel plötzlich einmal ohne Bodenampeln auskommen, ist die Unfallgefahr noch höher.
Wer nicht hören will, muss zahlen: Smombie-Bußgeld in China und den USA
Wenn all die Aufklärung nicht hilft, dann tun es vielleicht empfindliche Geldstrafen, findet man auf Hawaii.
„Distracted Walking“ – also Gehen und gleichzeitige Ablenkung durch Smartphone-Nutzung – bestrafen die Behörden auf der US-amerikanischen Insel mit einer Gebühr von 75 bis 99 US-Dollar. Wiederholungstäter müssen gar 200 bis 500 Dollar zahlen. Andere Städte in den USA und China haben bereits mit ähnlichen Strafen nachgezogen.
Die beste Lösung ist und bleibt, unterwegs das Handy nicht mitten auf der Straße zu nutzen. Wer kurz sein Smartphone checken möchte, sucht sich eine Bank, einen Hauseingang oder eine Haltestelle. Wer ausgiebig telefonieren, recherchieren oder texten will, legt besser gleich eine längere Pause ein.
So senkt jeder Fußgänger sein eigenes Risiko für einen Verkehrsunfall und gefährdet auch keine anderen Menschen im Straßenverkehr.
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