In der Dämmerung und Dunkelheit ist es besonders wichtig, im Straßenverkehr für andere gut sichtbar zu sein. Vor allem ungeschützte Verkehrsteilnehmende wie zu Fuß Gehende und Rad Fahrende haben in der dunklen Jahreshälfte ein höheres Unfallrisiko. Wie können sie sich mit passender Kleidung sowie Hilfsmitteln am besten schützen? Unser Selbsttest auf dem Verkehrsübungsplatz des ADAC in Berlin-Tegel bringt Licht ins Dunkel.
Ein winterlicher Abend im Berliner Stadtteil Tegel: Als wir kurz nach 18 Uhr auf dem Verkehrsübungsplatz des ADAC ankommen, ist die Sonne bereits untergegangen. Von den Fahranfängerinnen und -anfängern, die hier tagsüber das Einparken üben oder an der Kupplung verzweifeln, ist nichts mehr zu sehen. Überhaupt sehen wir wenig. Nur mühsam lässt sich erkennen, wo die nicht beleuchtete Übungsstraße endet und das umliegende Waldstück beginnt. Aber genau deswegen sind wir heute hier: Sehen oder vielmehr Nichtsehen. Wir wollen herausfinden, wie zu Fuß Gehende und Radfahrende in der dunklen Jahreszeit im Straßenverkehr wahrgenommen werden – und was sie tun können, um ihre Sichtbarkeit zu verbessern.
Gerade wenn es dunkel, neblig-trüb oder regnerisch ist, sind vor allem diejenigen Verkehrsteilnehmenden gefährdet, die bei Unfällen nicht durch eine Karosserie, einen Airbag oder einen Gurt vor schweren Verletzungen geschützt sind. Das belegen auch die Unfallzahlen des Statistischen Bundesamtes. In dem Monat Januar sowie im Zeitraum von September bis Dezember verunglückten im Jahr 2022 durchschnittlich die meisten Fußgängerinnen und Fußgänger – verglichen mit den restlichen Monaten des Jahres.
Dabei passierten knapp 95 Prozent der Unfälle innerorts.
Das erhöhte Unfallrisiko besteht demnach keineswegs nur auf unbeleuchteten Landstraßen, sondern gerade in Städten und Ortschaften und sollte daher nicht unterschätzt werden. Schnell abends im schwarzen Mantel mit dem Hund nochmal Gassi gehen oder trotz kaputten Rücklichts vor einsetzendem Regen fliehen, ist beides – wenig überraschend – eine schlechte Idee. Doch wie macht man sich im Straßenverkehr besser sichtbar? Welchen Effekt haben Reflektoren und macht es einen Unterschied, ob man eine Warnweste trägt oder ein Reflektorband ums Bein schnallt?
Ein Licht geht auf
Damit der Test funktioniert, haben wir nicht nur einen Fotografen und einen Pkw mitgebracht. Unsere Kollegin Frieda trägt helle Kleidung und hat ihren Hund Fede dabei. David trägt dunkle Kleidung und hat zwei Fahrräder organisiert. Bei einem Rad ist das Licht kaputt, auch die Reflektoren fehlen, das andere ist verkehrssicher mit vorgeschriebener Beleuchtung und Reflektoren ausgestattet. Beide kombinieren ihre Outfits mit retroreflektierenden Hilfsmitteln, unter anderem Warnwesten und Reflektorbändern. Vor dem Bungalow des Übungsplatzes wartet außerdem bereits Peer Schreiter. Er ist Fahrsicherheitstrainer beim ADAC und wird unseren Sichtbarkeitstest heute begleiten.
Nachdem wir den Übungsplatz betreten und den Wagen in Position gebracht haben, werden erst einmal drei Entfernungen von der vorderen Stoßstange aus gemessen und auf der Straße markiert. Wir wollen die Sicht vom Steuer aus auf Frieda und David bei 25, 50 und 150 Metern vergleichen. Damit wir das Blickfeld realistisch abbilden, bleibt der Fotograf im Auto sitzen. Die Kamera ist mit einer Linse ausgestattet, deren Lichtempfindlichkeit dem menschlichen Auge nahekommt. Frieda und David begeben sich auf Position. Der Fotograf schaltet das Abblendlicht ein. Peer Schreiter und ich stehen neben dem Auto, um die Durchgänge im ähnlichen Abstand beurteilen zu können. Es kann losgehen.
Testreihe 1 – zu Fuß: eine Frage des Blickwinkels
Frieda und David überqueren an der ersten Markierung die Straße. Bereits hier, bei 25 Metern Entfernung, zeigt sich, dass ein dunkles Outfit gefährlich werden kann. Von David sieht man lediglich die schwarzen Stiefel. Friedas helles Outfit ist zwar bessersichtbar, aber auch bei ihr ist nicht die komplette Silhouette erkennbar. „Die linke Schulter ist überhaupt nicht mehr zu sehen“, ordnet Peer Schreiter ein. Allein, ob eine Person seitlich oder parallel zur Straße stehe, verändere die Sichtbarkeit der angeleuchteten Fläche, erklärt er. Mit Fläche sind die Umrisse der Körper gemeint. Um diese weiter hervorzuheben, rät Peer Schreiter zu Hilfsmitteln wie einer reflektierenden Warnweste.
Zusätzlich empfiehlt der Trainer: „Beim Kauf sollte man auf das CE-Zertifikat achten. Das gibt einen Hinweis auf die Fläche, die in einer bestimmten Entfernung angestrahlt wird.“
Es wird nur gesehen, was reflektiert wird.
Das Tragen einer solchen retroreflektierenden Weste ist definitiv die beste, weil sichtbarste Lösung, die allerdings viele zu Fuß Gehende Überwindung kostet. Alternativ rät der ADAC-Experte zu Kleidung mit Reflektorstreifen. Diese lassen sich auch zusätzlich als Klebestreifen befestigen. „Form und Farbe sind dabei egal. Wenn man beim Tragen von einem Scheinwerfer angestrahlt wird, ist man sichtbar. Das zählt.“ Auch Accessoires wie ein reflektierender Rucksack seien praktische und effektive Hilfsmittel. Für Schülerinnen und Schüler empfiehlt Peer Schreiter retroreflektierende Anhänger am Schulranzen.
Selbst mit Warnweste und retroreflektierendem Rucksack ist Frieda in einem Abstand von 150 Metern zum Auto kaum sichtbar. In diesem konkreten Beispiel ist der retroreflektierende Rucksack tatsächlich sichtbarer als die Warnweste. Das liegt jedoch vor allem daran, dass aus der Richtung unserer Scheinwerfer betrachtet, seine angestrahlte retroreflektierende Fläche größer ist als die der Weste. Im Allgemeinen ist die Warnweste sichtbarer – und das aus allen Richtungen. Denn während der Rucksack eine große retroreflektierende Fläche hat, ist die Weste rundum mit retroreflektierenden Streifen versehen.
Straße überqueren in der Dunkelheit: So geht's!
- Dunkle und stark befahrene Straßen meiden.
- Straßen nur an beleuchteten und gut einsehbaren Stellen mit Querungshilfen wie Zebrastreifen, Mittelinseln oder Ampeln überqueren.
- Vor dem Überqueren genau hinschauen: links, rechts und nochmal links. Die Fahrbahn auf kürzestem Weg zügig und quer zur Fahrtrichtung überqueren.
Testreihe 2 – mit Hund, Hirn und Halsband
Für den nächsten Versuch hat Frieda ihren Hund Fede hinzugeholt. „Besitzerin und Hund sollten in der Dunkelheit als Einheit für andere klar zusammen erkennbar sein“, erklärt Peer Schreiter. Er rät deswegen auch für den Vierbeiner zu einer eigenen Lichtquelle, beispielsweise am Halsband. Ein weiteres gutes Hilfsmittel für eine Gassi-Tour zu später Stunde ist laut Trainer eine Reflektorleine. Und tatsächlich: Unsere Aufnahmen zeigen, dass eine solche Leine nicht nur bei 25 Metern, sondern auch in einer Entfernung von 50 Metern für Pkw-Fahrende noch gut sichtbar ist. Selbst in einem Abstand von 150 Metern sind Fedes Leuchthalsband und die Leine noch zu erkennen.
Testreihe 3 – mit dem Fahrrad: lieber etwas mehr auffallen
Unser letzter Versuch steht an. David und Frieda haben die beiden Fahrräder geholt. Schnell zeigt sich, was generell klar sein sollte: Nur ein verkehrssicheres Fahrrad ist in der Dunkelheit gut zu sehen. Das bedeutet, ein vorderer Scheinwerfer, rotes Rücklicht, festmontierte Rückstrahler vorne und hinten sowie je zwei gelbe Rückstrahler an den Pedalen und an den Speichen oder weißes, retroreflektierendes Material an Speichen, Felgen oder Reifen müssen angebracht sein.
Hinzu kommt: Wer auf dem Rad unterwegs ist, ist deutlich schneller als zu Fuß – und sollte im Straßenverkehr daher entsprechend vorsichtig sein. „Radfahrende können schlechter auf der Straße ausweichen“, sagt Peer Schreiter. Deswegen sollten sie auf zusätzliche retroreflektierende Sicherheitskleidung setzen. Der Experte rät zu Handschuhen mit Pfeilen und Blinkern. Auch ein retroreflektierender Helmüberzug und Warnweste machen die Körpersilhouette effektiv sichtbar. „Der untere Teil des Rads wird vom Autoscheinwerfer zuerst angestrahlt und gesehen. Da der Helm nicht im Lichtkegel erscheint, müssen zusätzliche Hilfsmittel her, die das Licht zurückwerfen.“
Auto: den Durchblick behalten
Aber auch Autofahrende müssen dazu beitragen, das Unfallrisiko in der dunklen Jahreszeit zu reduzieren. Um die Straße und alle Verkehrsteilnehmenden rechtzeitig sehen zu können, müssen die Scheinwerfer des Pkw einwandfrei funktionieren und richtig eingestellt sein. Peer Schreiter rät: „Am besten man lässt die Lichtkegel immer beim Reifenwechsel im Fachbetrieb prüfen.“ Im Oktober bieten übrigens deutschlandweit zahlreiche Kfz-Meisterbetriebe einen Licht-Test an. Dabei werden alle Lichter geprüft und kleine Lichtmängel in der Regel sofort und kostenlos behoben. Darüber hinaus ist es wichtig, die Scheinwerfer stets sauber zu halten – genauso wie Scheibenwischer und die Scheiben von innen und außen. Denn schmutzige Fenster beschlagen mehr und klebende Blätter können die Sicht einschränken.
Apropos wachsam: Autofahrende sollten gerade bei Dunkelheit besonders auf Personen achten, die die Fahrbahn überqueren wollen, zum Beispiel beim Abbiegen an Kreuzungen und Einmündungen. Gerade auch in Bereichen wie Haltestellen, ist man am Steuer besonders zur Vorsicht angehalten.
„Man muss sich bewusst machen, da laufen wahrscheinlich plötzlich Menschen hinter dem Bus entlang.“ Und da Radfahrende kein Bremslicht haben, können sie jederzeit unerwartet bremsen oder anhalten. Autofahrende sollten daher, stets bremsbereit sein und auch mit möglichen Fehlern anderer rechnen. Platz lassen und Abstand halten sind weitere lebensrettende Faustregeln. Dennnicht jeder Wagen verfügt über einen modernen Notbremsassistenten, der im Ernstfall eingreift.
Perspektivwechsel
Unser Test ist beendet, wir packen zusammen. Taschenlampen helfen uns bei der Suche nach unseren Entfernungsmarkierungen entlang der Straße. David und Frieda freuen sich auf ein warmes Auto, in dem es sich Fede schon gemütlich gemacht hat. Auf dem Rückweg lassen wir die Worte des Trainers nochmal nachwirken. Die wichtigste Erkenntnis unseres Tests: Um das Risiko schwerer und tödlicher Verletzungen zu senken, muss man stets gut sichtbar und aufmerksam sein – egal ob man zu Fuß, auf dem Fahrrad oder mit dem Auto am Straßenverkehr teilnimmt. „Jede und jeder sollte einen Blick über den Tellerrand wagen und sich in andere hineinversetzen“, resümiert der Trainer, bevor sich unsere Wege trennen, denn: „Autofahrende sind auch Fußgängerinnen oder Fußgänger und andersherum. Was zählt, ist gegenseitige Rücksichtnahme.“
Bilder: Lucas Wahl