Ohne Führerschein dürfen Menschen in Deutschland nicht Auto fahren. Das gilt selbstverständlich auch in anderen Ländern, nur unterscheiden sich die Prüfungen zur Erlangung der Fahrerlaubnis teilweise erheblich. „Runter vom Gas“ gibt Einblick in skurrile Fahrprüfungen aus aller Welt.
In Finnland läuft’s glatt
Führerschein-Anwärter müssen in dem skandinavischen Land Theorieunterricht nehmen, Fahrstunden absolvieren und eine Prüfung ablegen. Wer sie besteht, bekommt für zwei Jahre einen Führerschein auf Probe. In dieser Zeit dürfen Anwärter maximal zwei Verstöße gegen das Straßenverkehrsgesetz begehen – sonst wird der „Lappen“ wieder einkassiert. Bis hierhin sind die Anforderungen mit Deutschland durchaus vergleichbar.
Aber: Nachdem der Fahranfänger in Finnland die Fahrerlaubnis erworben hat, beginnt eine bis zu zwei Jahren dauernde selbstständige Lernphase. In dieser Zeit müssen alle Fahranfänger an einem zweitägigen Aufbaukurs teilnehmen. Dieser Fahrsicherheitskurs umfasst fünf Stunden Theorie und vier Stunden fahrpraktische Übungen. Dabei findet u.a. ein Training zur Gefahrenwahrnehmung auf dem Übungsplatz und eine Feedbackfahrt im Realverkehr statt, bei der ein Fahrlehrer die Stärken und Schwächen beurteilt. Erst nach der selbstständigen Lernphase erhalten Fahranfänger die Fahrerlaubnis ohne Sonderregelungen.
Ruhe bewahren in Südafrika
Auch im südlichsten Land Afrikas haben Führerschein-Anwärter einen außergewöhnlichen Weg vor sich. Zunächst müssen Prüflinge den Test „Learners Licence“ (Theorie) bestehen. Ist das geschafft, dürfen Fahranfänger ohne eine einzige praktische Fahrstunde in Begleitung eines Führerscheininhabers Auto fahren. Dabei muss ein Schild, das den sogenannten „Lerner“ auszeichnet, gut sichtbar von außen auf das Armaturenbrett gelegt werden. Eine „Learners Licence“ ist nur für 24 Monate gültig.
Den vollwertigen Führerschein erwerben Anwärter, wenn sie in diesem Zeitraum die eigentliche Fahrprüfung bestehen. Diese darf man im eigenen Auto absolvieren – sofern an dem Wagen Bremsen, Blinker, Licht und andere verkehrssicherheitsrelevante Komponenten funktionieren. Einfach ist die Prüfung nicht: Rollt das Auto beim Anfahren nur wenige Zentimeter zurück oder zieht der Fahrschüler die Handbremse nicht lautlos an, muss er die Prüfung wiederholen. Vor Fahrtantritt muss der Prüfling unter dem Auto nach undichten Stellen schauen – ansonsten heißt es: nicht bestanden.
In Japan steigen Anwärter aufs Dach
In dem ostasiatischen Staat finden Führerscheinprüfungen oft auf Hochhäusern statt. Der Grund: „In Japan ist Platzmangel weit verbreitet“, sagt Gerhard von Bressensdorf, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände. Deshalb üben angehende Autofahrer dort häufig auf Dächern. Vor der Fahrt müssen Fahrschüler den Wagen von allen Seiten auf Fahrtauglichkeit prüfen. Sind Prüflinge während der Fahrt schneller als mit 30 km/h unterwegs, fallen sie durch. Das generelle Tempolimit in Japans Städten liegt eigentlich bei 40 km/h.
Das gefährliche Spiel in Vietnam
Wegen hoher Steuern ist Autofahren in Vietnam für viele Menschen unerschwinglich. Deshalb setzt die Mehrheit auf Motorroller. Die Führerscheinprüfung hierfür ist denkbar einfach. Wer es nach dem theoretischen Teil schafft, das Fahrzeug in einem verkehrsarmen Bereich – etwa auf einem Hinterhof oder Parkplatz – zwischen zwei parallel aufgemalte Linien zu navigieren, hat die Prüfung bestanden und bekommt für unbefristete Zeit den Führerschein. Letztendlich lernen Anwärter bis zur Führerscheinprüfung wenig. Mit dem eigentlichen Fahren machen sie sich erst später vertraut – eine gefährliche Praxis. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommen in Vietnam pro Jahr etwa 14.000 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben.
Vier Hürden in Brasilien
Bevor in Brasilien Frauen und Männer einen Führerschein erhalten, müssen sie vier Tests bestehen: neben der theoretischen Prüfung und der praktischen Fahrprüfung auch eine medizinische Untersuchung inklusive Seh- und Reaktionstests sowie eine psychologische Untersuchung. Während der praktischen Fahrprüfung ist ein Regierungsvertreter dabei, der das Können des Fahrschülers beurteilt und einen vorläufigen Führerschein ausstellt. Den vollwertigen Führerschein gibt es, wenn Fahranfänger im ersten Jahr nach der Prüfung keine schwerwiegenden Verstöße gegen die Verkehrsordnung begehen. Andernfalls muss der Fahrschüler wieder bei „null“ anfangen.
Was gilt in Deutschland?
Um die Fahrerlaubnis zu erlangen, müssen Anwärter in der Fahrschule Theorie und Praxis lernen und für beide Bereiche eine Prüfung abgelegen. In der Fahrprüfung wird auch eine Vollbremsung und das Rückwärtseinparken oder Wenden geprüft. Nach der Fahrprüfung beginnt für die Fahranfänger eine Probezeit, in der sie nach schwereren Verkehrsverstößen wie dem Überfahren einer roten Ampel oder deutlich zu schnellem Fahren ein Aufbauseminar besuchen müssen und bei weiteren Verstößen ihren Führerschein auch schneller verlieren können. In der Probezeit und bis 21 Jahre herrscht absolutes Alkoholverbot am Steuer. Für junge Menschen ist es empfehlenswert, schon mit 16,5 Jahren in die Fahrschule zu gehen und am Begleiteten Fahren mit 17 teilzunehmen. Als 17-Jährige dürfen sie dann nach bestandener Fahrprüfung im Beisein einer Begleitperson Auto fahren. Die Begleitung muss mindestens 30 Jahre alt sein, mindestens 5 Jahre im Besitz einer Fahrerlaubnis sein und darf maximal einen Punkt in Flensburg haben. Wichtig ist, dass die Begleitpersonen in die Prüfungsbescheinigung eingetragen sind. Den regulären Karten-Führerschein erhalten die BF17-Absolventen dann ab dem 18. Geburtstag und fahren ab da alleine und dank des Jahres in Begleitung nachgewiesen sicherer.
Händchen beweisen in Indien
Handzeichen sind im indischen Straßenverkehr das „A und O“. Weil Stromausfälle Ampeln häufig lahmlegen und die Blinker und Lichter vieler Autos defekt sind, müssen Fahrer Abbiegen, Bremsen, Anhalten und Überholen per Hand signalisieren. Genau das ist elementarer Bestandteil der Fahrübungsstunden. Während der Prüfung kommt es außerdem durchaus vor, dass Kühen und Elefanten ausgewichen werden muss. Tiere wie diese sind auf Indiens Straßen keine Seltenheit.
Der lange Weg in Nordkorea
In dem kommunistischen Land durchlaufen Anwärter eine mehr als anspruchsvolle Prozedur. Grundsätzlich gehört zur Grundausbildung, dass Anwärter in Fahrzeugtechnik und -instandhaltung eingewiesen werden. Die eigentliche Fahrausbildung dauert ein Jahr. Bei bestandener Prüfung gibt es den Führerschein „Klasse vier“. Nach jahrelanger Fahrpraxis und vielen weiteren Prüfungen sind Aufstiege in höhere Klassen möglich. Für die höchste „Klasse eins“ muss der Anwärter allerdings in der Lage sein, selbst ein Auto zu bauen.
Weiterführende Links
BF17 – Begleitetes Fahren ab 17 Jahren
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