Der Job ist hart und sein Image bei anderen Verkehrsteilnehmern nicht das beste. Damit seine Paketboten möglichst sicher durch den Alltag kommen und andere Verkehrsteilnehmer durch die Auslieferungen nicht gefährdet werden, schult der Paketdienst UPS seine Fahrer in einem modernen Trainingszentrum in Köln. Mit einigen ungewöhnlichen Methoden, wie „Runter vom Gas“ bei einem Besuch erleben konnte.
Training im Kölner Süden
Das neue Gebäude in einem namenlosen Gewerbegebiet im Süden von Köln fällt direkt ins Auge. Während die anderen Bauten in der Umgebung ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel haben, wirkt der Bau in Westhoven modern und neu. UPS Integrad ist das erste Trainingszentrum des Paketversenders in Europa. Hier lernen alle Zusteller in einem einwöchigen Lehrgang den harten Berufsalltag eines Paketboten. Besonders im Fokus: die Sicherheit im alltäglichen Straßenverkehr.
Harter Alltag
Erstes Gebot dabei: Hektik und Zeitdruck vermeiden. Nicht ganz einfach im stressigen Alltag eines Paketboten. Wie hart der mitunter sein kann, zeigt sich für einen dynamischen Mittdreißiger in einem seltsam anmutenden Alu-Käfig. Was aussieht wie ein Klettergerüst auf einem Kinderspielplatz, simuliert die gefährliche Paketauslieferung bei Eis und Schnee. Der Bote ist in einem Kletterkorsett angeleint, das oben mitläuft. Der künstliche Boden ist durch die Überschuhe spiegelglatt. „Gut machen Sie das“, tönt es vom Schulungsleiter herüber, „immer schön gleichmäßig gehen.“ Die beiden mittelgroßen Pakete haben Hin- wie Rückweg gut überstanden, und der Schüler atmet durch. Dann geht es nochmals über die künstlichen Eisplatten – diesmal ist die Lieferung größer und unhandlicher.
Eisprinzessin auf Abwegen
„Das ist im Winter der ganz normale Alltag für unsere Fahrer. Das richtige Gehen muss daher gelernt sein“, erklärt einer der fünf Trainer im Kölner Schulungszentrum. „Die Pakete müssen bei jedem Wetter und auch widrigen Bedingungen gut und sicher ankommen. Natürlich soll sich der Paketbote bei seiner Arbeit nicht verletzten. Genau das lernt er hier.“
In der Haupthalle stehen vier große Lieferwagen, mit denen nicht nur das richtige Be- und Entladen, sondern auch das Ein- und Aussteigen sowie Packroutinen geschult werden. Während ein Zweierteam unter Anleitung eines der fünf Trainer gerade lernt, wo die großen und kleinen Pakete in den Packregalen unterzubringen sind, sitzen andere Trainingsteilnehmer im Schulungsraum nebenan vor Computern und büffeln bei E-Learning und Intensivkursen.
Sicherheit hat Vorrang
Ein anderer Teil der Schüler ist draußen vor der Halle auf dem eigens aufgebauten Citykurs unterwegs und übt auf dem 3.200 Quadratmeter großen Außengelände das unfallfreie Rangieren mit den braunen Transportern. Schließlich geht es nicht allein darum, die Pakete ordnungsgemäß vom Wagen zum Kunden zu bringen. Zahlreiche Gefahren lauern im alltäglichen Straßenverkehr, und gerade die Parksituation in überfüllten Innenstädten hat zum schlechten Image eines ganzen Berufsstandes geführt.
Vor dem Starten der Sicherheitscheck
Vor jeder Fahrt muss erst der Paketwagen inspiziert werden. Funktionieren Beleuchtung, Hupe, Bremse? Sind Außenspiegel und Rückfahrkamera korrekt eingestellt? Weisen die Reifen Beschädigungen auf? Ist die Sicherheitsausrüstung komplett? Öl- und Kühlwasserstand okay?
Nach der Fahrt muss der Wagen betankt und erneut auf Beschädigungen überprüft werden. Der Zustand des Fahrzeugs ist im Wagenzustandsbericht zu dokumentieren.
Während der Trainingsfahrt notiert der Fahrtrainer mögliche Fehler des Schülers.
Mit Übung gegen den toten Winkel
Das Abbiegen mit dem Paketwagen erfordert höchste Konzentration. Im sogenannten „Toten Winkel“ könnten sich Fußgänger und Radfahrer befinden. Die Sicht nach hinten ist bei Paketwagen in der Regel durch den Aufbau eingeschränkt. Die Verwendung von zusätzlichen Außenspiegel oder Kamera-Monitor-Systemen auf der rechten Fahrzeugseite erweitern das vorgeschriebene indirekte Sichtfeld und unterstützen die Fahrzeugführenden bei Abbiegevorgängen.
Fünf Sehgewohnheiten
Wer sich mit offenen Augen in den Straßenverkehr begibt, ist konzentrierter, kann schneller und effektiver auf die Fehler anderer Verkehrsteilnehmer reagieren. In vielen Fällen hilft schon der Blickkontakt mit Fußgängern, Radfahrern und anderen Autofahrern. Einer von vielen Aufklebern im Cockpit erinnern den Fahrer ständig an die wichtigsten Sicherheitsregeln.
Fahrt auch außerhalb des Übungsgeländes
In der nächsten Übung verlassen die Fahrzeuge das Trainingsgelände. Der Trainer weist auf typische Gefahrenstellen wie unübersichtliche Straßeneinmündungen hin. Bei Gefahrenstellen wie dieser gilt: Fuß vom Gas, volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen und nicht von Navi und Co ablenken lassen. Das Smartphone gehört während der Fahrt in den Flugmodus versetzt.
Einparken für Profis
Einen großen Part im Fahrtraining nimmt das Parken ein. Auch für Paketboten gilt selbstverständlich die Straßenverkehrsordnung (StVO). Ist kein geeigneter Parkplatz in der Nähe, muss der nächstmögliche genutzt werden. Parken in zweiter Reihe oder im Parkverbot ist auch für Paketboten grundsätzlich verboten. Um sich an die Abmessungen des Paketwagens zu gewöhnen, üben die Fahrschüler das Ein- und Ausparken wieder und wieder. Dabei gilt: möglichst nicht rückwärtsfahren. Also nicht in Auffahrten und Grundstückseinmündungen hineinfahren, aus denen die Fahrer mangels Wendemöglichkeit rückwärts wieder herausmanövrieren müssen. Rückfahrkameras, die bei einigen Paketdienstleistern Standard sind, erleichtern zwar das Ein- und Ausparken in engen Parklücken. Beim Einfädeln in den fließenden Verkehr helfen sie aber nur bedingt.
Das ist das Trainingszentrum in Köln
Das erste UPS-Trainingszentrum wurde 2005 konzipiert und 2007 im amerikanischen Landover im Bundesstaat Maryland eröffnet. Das Gelände in Köln ist 4.500 Quadratmeter groß, allein das Gebäude bietet 1.300 Quadratmeter Schulungsfläche. Es gibt kaum eine Situation im Alltag eines Paketboten, die sich hier nicht nachstellen lässt. Eine Woche lang werden die Paketauslieferer bei UPS Integrad geschult. An den normalen Trainings nehmen circa 20 Personen teil. Seit 2016 haben mehr als 1.000 Teilnehmer das Programm absolviert, die Kurse sind auf Monate ausgebucht. Die Schulung im UPS-Center ist anspruchsvoll und besteht für die aus den Teilnehmern gebildeten Zweierteams aus:
- 3D-Simulationen und E-Learning mit speziellen Computerprogramme, mit denen die Schüler die Lerninhalte der realen Schulungen verfestigen
- Klassischen Seminaren
- Fahrtraining
- Ladetraining
- Gehtraining
- Verhaltenstraining
Harter Trainingsalltag
Weltweit werden immer mehr Güter online bestellt, die Ansprüche der Kunden steigen ebenso stark wie die Paketauslieferungen selbst. Pro Schicht ist der Paketbote acht bis neun Stunden unterwegs, muss sein Auto be- und entladen und hat dabei bis zu 100 Haltepunkte. Deshalb haben Sicherheit, Ergonomie und Effizienz höchste Priorität. Zudem fahren die Zusteller feste Routen, um sich auf die speziellen Herausforderungen einer Tour sowie die Sonderwünsche und Auslieferungsmodalitäten der Kunden einzustellen. Außerdem können sich die Fahrer so besondere Gefahrenstellen im Straßenverkehr einprägen.
Belastungsproben
Seit knapp zwei Jahren müssen die europäischen Paketboten in Köln zeigen, was sie können. Es geht um das große Ganze – und jede Kleinigkeit. „Natürlich ist auch das richtige Aus- und Einsteigen wichtig“, erläutert Integrad-Manager Thomas Scholz. „Wer 80 Kilogramm wiegt und sich beim Ein- oder Aussteigen aus dem Transporter falsch belastet, mutet seinem Körper bis zu 210 Kilogramm zu.“ Die Paketboten steigen immer rechts aus, weil kein Weg umsonst sein soll und der Fahrer so zusätzlich durch den Bürgersteig abgesichert wird. Der mehrmalige Schulterblick und das Sicherstellen, dass Passanten oder Radfahrer beim Öffnen der Tür nicht überrascht werden, ist eine Selbstverständlichkeit. Zudem soll der fließende Verkehr so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. Viele der Paketboten sind seit mehr als 30 Jahren dabei. Die besten von ihnen gehören zum sogenannten „UPS Circle of Honor“, einer Elitegruppe von weltweit über 10.500 aktiven Fahrern, die mindestens seit einem Vierteljahrhundert ohne vermeidbaren Unfall unterwegs sind. Jetzt heißt es aber erst einmal die heißeste Phase des Jahres zu überstehen, ab November geht es im Paketgewerbe richtig rund. „Vor Weihnachten brauchen wir jeden Mann“, erklärt Thomas Scholz. „Aber auch rund um Black Friday und Cyber Monday, die wegen mächtiger Rabatte längst auch in Deutschland heiß begehrt sind, liefern wir besonders viele Pakete aus.“ Die Fahrer sind nach dem Intensivkurs auf alles vorbereitet – sogar auf einen Eistanz mit Paket in den Händen.
Die wichtigsten Tipps für Paketboten
Sicherheit ist das oberste Gebot für Paketboten. Hier die wichtigsten Tipps für professionelle Fahrer:
- Fahrzeugcheck vor dem ersten Losfahren
- Beim Aussteigen auf Radfahrer und Fußgänger achten
- Nur so viel tragen, dass man noch andere Verkehrsteilnehmer wahrnehmen und ihnen gegebenenfalls ausweichen kann
- Unbedingt an die Verkehrsregeln und die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten
- Nicht in zweiter Reihe parken, auch wenn es nur ganz kurz ist
- Die Ladung korrekt sichern
- Nicht beim Fahren den Routenplan checken oder telefonieren
- Volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen
Tipps für andere Verkehrsteilnehmer:
- Ermöglichen Sie den Paketfahrern das Einscheren in den fließenden Verkehr
- Halten Sie beim Parken Abstand, damit der Paketbote auch die Hecktüren seines Transporters öffnen kann
- Erhöhte Vorsicht bei einem geparkten Paketwagen: Der Fahrer könnte unachtsam um sein Fahrzeug herumlaufen. Außerdem verdeckt der große Transporter die Sicht auf andere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer
- Achtung, Radfahrer und Fußgänger: Viele Paketboten steigen auf der dem Rad- und Fußweg zugewandten Seite aus ihrem Fahrzeug
Bilder: Lucas Wahl