Zwei Räder, eine Kette, ein Lenker: Das herkömmliche Fahrrad bewegt Menschen – auf umweltfreundliche und praktische Weise. Doch die Digitalisierung ist auch in der Fahrradbranche angekommen und macht Zweiräder zu intelligenten Mobilitätsgefährten.
Auf 82 Millionen Menschen in der Bundesrepublik kommen etwa 73 Millionen Fahrräder. So beziffert der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) den Fahrradbestand im Jahr 2016. Die Zahlen machen deutlich: Seit der Erfindung vor 200 Jahren ist das Fahrrad immer populärer geworden. Ein Grund für die Beliebtheit ist die stetige Weiterentwicklung – zum Beispiel mit Blick auf Design, Material, Aerodynamik oder Komfort. Nun steht die nächste Revolution bevor: die Vernetzung. Wie kaum ein anderer Trend könnte die Digitalisierung das Verständnis des Radfahrens nachhaltig verändern – und die Fortbewegung per Zweirad künftig noch sicherer machen.
Mehr Sicherheit. Mehr Service.
Ingenieure und Entwickler arbeiten daran, das Potenzial der Digitalisierung auf das Fahrrad zu übertragen. Davon erhoffen sie sich vor allem mehr Sicherheit, neue Möglichkeiten der Leistungsmessung und mehr Service. Das intelligente Fahrrad kann mit Systemen wie einem interaktiven Boardcomputer, einem Antiblockiersystem oder einem digitalen Abstandswarner versehen werden, die entweder im Fahrrad integriert sind oder sich anbauen lassen. Durch diese avanciert der herkömmliche Drahtesel zunehmend zum digital vernetzten Smart Bike.
Alleskönner am Lenker
Eines dieser Konzepte ist ein interaktiver Boardcomputer am Lenker, entwickelt von Cobi Bike. Das Gerät reguliert unter anderem die Fahrradlampe: Diese schaltet sich autonom an, wenn die Sonne untergeht oder sie erlischt, sobald die Fahrt endet. Darüber hinaus kann das Smartphone mit der entsprechenden App als Navigationsgerät genutzt werden, als Fitnesstracker und als persönlicher Assistent, der über eingehende Anrufe und Textnachrichten informiert.
Die intelligenten Räder verlangen selbstverständlich nach ebenso smarten und verantwortungsbewussten Fahrern, die sich von den zusätzlichen Daten nicht ablenken lassen. Denn auch auf vernetzten Bikes gilt: Sicher fährt man nur mit den Augen auf der Straße und den Händen am Lenker.
ABS wie beim Auto
Das Projekt „SIFAFE" der Technischen Universität Kaiserslautern entwickelt sicherheitsorientierte Fahrerassistenzsysteme für Elektrofahrräder – ähnlich denen von Autos, Lkws und Motorrädern. Wie das konkret funktionieren kann? Der Hersteller „BrakeForceOne GmbH“ aus Tübingen will es ab 2018 mit einem Antiblockiersystem (ABS) für E-Bikes zeigen.
Bei „BrakeForceOne“ unterbindet ein sogenannter Aktuator am Rahmen den üblichen Bremsvorgang über die Scheibenbremse und reguliert die Intensität. Das geschieht immer dann, wenn beispielsweise das Hinterrad zu blockieren droht – und wegrutschen könnte. Außerdem bewahrt das System Radfahrer vor einem Überschlag, wenn sie die Vorderbremse zu fest anziehen.
Digitale Abstandswarner und Verschleißmelder
Für mehr Sicherheit auf der Straße sollen auch digitale Abstandswarner sorgen, die Autos, Fußgänger und andere Objekte registrieren und den Radfahrer frühzeitig warnen. Im Fall eines Unfalls ist darüber hinaus denkbar, dass eine E-Call-Funktion automatisch einen Krankenwagen alarmiert. Etwas weiter in die Zukunft geblickt, könnten smarte Fahrräder auch eine unmittelbare Verbindung mit Fahrzeugen herstellen, die außerhalb des Blickfelds liegen.
Auf diese Weise würden Fahrräder und Autos miteinander in Kontakt treten, lange bevor die Fahrer sich sehen. Ebenfalls denkbar ist die digitale und automatisierte Überwachung von Verschleißteilen – verbunden mit einer Nachricht an den Hersteller beziehungsweise den Nutzer.
Digitaler Diebstahlschutz
Smart ist auch das digitale Fahrradschloss: Verbunden mit dem Smartphone via Bluetooth, sichert es das Rad, sobald sich der Besitzer entfernt – und entsichert es, wenn der Radler sich nähert. Das Start-up-Unternehmen „haveltec GmbH“ aus Werder hat mit „I LOCK IT“ solch ein smartes Schloss entwickelt. Eine Zusatzfunktion: Nähert sich ein Fremder dem Schloss auf wenige Zentimeter, ertönt ein Alarm und der Inhaber wird parallel per SMS informiert.
Auch 200 Jahre nach der Erfindung entwickelt sich das Fahrrad weiter. Digitale Lösungen erhöhen Komfort und Nutzerfreundlichkeit. Und sie ebnen den Weg für ein Ziel, dass über allen anderen steht: den Verkehr sicherer zu machen und Menschenleben zu schützen. Dennoch müssen Entwickler und IT-Experten die potentiellen Schwachstellen von smarten Fahrrädern im Blick behalten. Es ist nicht auszuschließen, dass Hacker auf bestimmte Funktionen zugreifen. Zudem besteht eine große Gefahr darin, dass Fahrer sich zu sehr von den technischen Raffinessen des intelligenten Zweirads ablenken lassen. Jedem Fahrer muss klar sein, dass die technische Unterstützung eine aufmerksame und defensive Fahrweise nicht ersetzt, sondern nur ergänzt. Trotz der technischen Weiterentwicklung sind alle Verkehrsteilnehmer gefordert, sich rücksichtsvoll im Straßenverkehr zu verhalten, um Unfällen vorzubeugen. Und im Zweifel kann ein Fahrradhelm Leben retten.
Bilder: COBI Bike, Oli Woodman/BikeRadar.com, fotolia