So wirkt sich die Cannabislegalisierung auf die Verkehrssicherheit aus: Erste Zahlen und Fakten

Seit dem 1. April 2024 ist Cannabis in Deutschland legal. Erste Zahlen und Fakten zur Verkehrssicherheit.

01. April 2025
5 Minuten

Seit dem 1. April 2024 sind Besitz und Konsum von Cannabis für Erwachsene unter bestimmten Auflagen legal. Welche Auswirkungen das auf die Verkehrssicherheit haben kann, zeigen bereits einzelne Unfallstatistiken aus den Bundesländern.

Schon bevor Cannabis am 1. April 2024 für Volljährige unter bestimmten Auflagen legalisiert wurde, war es die am häufigsten im Straßenverkehr nachgewiesene Droge. Deswegen waren sowohl unter Expertinnen und Experten als auch in der Bevölkerung die Sorgen groß, dass es sich negativ auf die Verkehrssicherheit auswirken könne, wenn Cannabis legal konsumiert werden darf. In zwei Umfragen gingen 64 % bzw. 73 % der Bürgerinnen und Bürger davon aus, dass die Legalisierung negative Folgen haben würde.

Bundesweit einheitliche Statistiken über den Einfluss von Cannabis auf den Straßenverkehr sollen ab Juli 2025 erhoben werden. Aber ein Jahr nach der Legalisierung gibt es erste Erkenntnisse aus fünf Bundesländern, die einen Anstieg der Unfallzahlen unter dem Einfluss von berauschenden Mitteln im Jahr 2024 zeigen.

Aktuelle Zahlen im Vergleich

dem bevölkerungsreichsten Bundesland, sind die Unfälle unter dem Einfluss berauschender Mittel zwischen 2023 und 2024 um 11,5 Prozent angestiegen. Die Polizei registrierte 986 Unfälle, bei denen Drogen eine Rolle spielten. Im Vorjahr waren es noch 884 Unfälle gewesen. 2024 hat dabei in mehr als 40 Prozent der Fälle (412) Cannabis eine Rolle gespielt. 10 Menschen starben bei einem Unfall unter Drogeneinfluss.

hat die Polizei des Landes 120 Unfälle unter Einfluss von THC (Cannabis) festgestellt. 2023 waren es noch 96 Unfälle – ein Anstieg um 25 Prozent. Die Zahl der Verletzten stieg dabei um 17,3 Prozent von 52 auf 61. Die Zahl der Getöteten hingegen sank im Vergleich zu zwei Getöteten im Vorjahr auf null.

hatte es mehrere Drogen-Großkontrollen der Polizei gegeben. Ergebnis einer sechsstündigen Kontrolle bei Bad Boll: Fast jede Vierte der insgesamt 65 kontrollierten Personen stand unter Drogeneinfluss. 15 Fahrende, die eine Blutprobe abgeben mussten, hatten am Vorabend Cannabis konsumiert. Bei einigen wenigen kam Mischkonsum mit Amphetamin oder Kokain hinzu.

dem Bundesland mit der größten Fläche, sind die Unfälle unter Drogeneinfluss von den Jahren 2023 auf 2024 um knapp 5 Prozent angestiegen. Die Zahl der Fahrerinnen und Fahrer, die unter Drogeneinfluss standen, hat im selben Zeitraum um 27 Prozent zugenommen. Mehr als die Hälfte von ihnen stand dabei unter dem Einfluss von Cannabis.

stieg die Zahl der Unfälle unter Drogeneinfluss um 17,7 Prozent auf insgesamt 239 an. Dabei verunglückten 41 Menschen mehr als im Vorjahr.

Die Zahlen aus Bayern nannte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt „besorgniserregend“ und ein „Warnsignal“. Es sei davon auszugehen, dass eine solche Entwicklung auch in anderen Bundesländern zu beobachten sein werde. Er warnte: „Für das Jahr 2025 erwarten wir eine weitere Zunahme der Verkehrsunfälle unter Drogeneinfluss.“

Die Straße ist kein Ort, an dem man seinen Rausch auslebt.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann stellte fest: „Mehr Fahrten unter Cannabiseinfluss erhöhen die Gefahren für alle Verkehrsteilnehmer erheblich.“ NRW-Innenminister Herbert Reul appellierte an die Fahrerinnen und Fahrer: „Die Straße ist kein Ort, an dem man seinen Rausch auslebt. Unter Drogen gehört niemand in den Straßenverkehr und schon gar nicht hinters Steuer.“

Eine Sprecherin der Polizei Brandenburg sagte, die Zahlen machten deutlich, dass der Verkehr und die Verkehrsteilnehmenden durch die Teil-Legalisierung stärker gefährdet seien als zuvor. Sie betonte: „Im Vergleich aller Verkehrsunfallursachen steigen Verkehrsunfälle unter dem Einfluss von Cannabis am deutlichsten an.“ Es könne zwar noch keine allgemeine Aussage getroffen werden, aber die Polizei Brandenburg beobachte die Entwicklung der Verkehrsunfallzahlen insbesondere unter dem Einfluss von Cannabis mit Sorge.

Der Präsident des Bundes gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr (BADS), Helmut Trentmann, verweist darauf, dass es noch zu früh sei, um Aussagen über eine generelle Verschlechterung der Verkehrssicherheit zu treffen. Dazu liege zu wenig belastbares Zahlenmaterial vor. Allerdings zeigte er mit Blick auf die Ergebnisse der groß angelegten Drogenkontrollen in Baden-Württemberg auf, dass es noch viel Unwissenheit in der Bevölkerung gibt. „Bei den zahlreichen Gesprächen mit den Betroffenen war deutlich, dass sie sich nicht darüber im Klaren waren, wann sie nach vorangegangenem Cannabiskonsum wieder fahrtüchtig gewesen wären“, sagte Trentmann.

Was die Zahlen verraten und was nicht

Anders als bei Alkohol erfassen noch nicht alle Polizeibehörden in Deutschland die Ursachen von Verkehrsunfällen, die auf Drogenkonsum zurückzuführen sind, nach der Art der Substanz. Bundesweit einheitliche Statistiken über den Einfluss von Cannabis auf den Straßenverkehr sollen ab Juli 2025 erhoben werden. Diese Neuerung gilt als wichtiger Schritt, um das Unfallgeschehen besser analysieren und gezielte Maßnahmen entwickeln zu können.

So ist aus den bisherigen Zahlen beispielsweise nicht ersichtlich, bei welchen Verkehrsteilnehmenden Cannabiskonsum besonders auffällig war: ob bei Auto-, Rad- oder E-Scooter-Fahrenden oder bei Fußgängerinnen und Fußgängern.

DVR-Präsident Manfred Wirsch forderte schon im Juni 2024, Unfälle unter Cannabiseinfluss schnell in die Unfallstatistik aufzunehmen, um die Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit überhaupt beobachten zu können.

Bis dahin bleibt es schwer, kurzfristige Effekte von anderen Faktoren zu trennen. So sind in vielen Bundesländern die Kontrollen zuletzt intensiviert worden, was für erhöhte Zahlen sprechen kann. In Hamburg etwa waren die Polizistinnen und Polizisten etwa häufiger gezielt im Einsatz, um mit sogenannten Standardisierten Fahrtüchtigkeitstests (SFT) mehr Kontrollen durchzuführen.

Wie THC nachgewiesen werden kann

Um den Einfluss von Cannabis bei Verkehrsteilnehmenden nachzuweisen, sind komplexere Testverfahren nötig als beispielsweise beim Nachweis von Alkohol. Bei Kontrollen überprüft die Polizei den THC-Gehalt mit neu entwickelten Urintests. Endgültige Klarheit bringt nur eine Blutprobe. Der THC-Wert im Blut kann auch nach dem Abklingen der Wirkung noch erhöht sein, was es für die Person nach dem Konsum schwierig macht, die eigene Fahrtüchtigkeit zu beurteilen. Für alle Verkehrsteilnehmenden gilt ein einheitlicher Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC (Tetrahydrocannabinol) pro Milliliter Blutserum. Für Fahranfängerinnen und Fahranfänger in der Probezeit und/oder unter 21 Jahren gilt ein absolutes Cannabisverbot am Steuer.

Drogenkonsum und Straßenverkehr vertragen sich nicht.

„Seit der Legalisierung vor einem Jahr ist die Präventionsarbeit für die Verkehrssicherheit wichtiger denn je. Wir beobachten die Entwicklung nach der Legalisierung von Cannabis sehr genau und passen unsere Maßnahmen entsprechend an. Es ist wichtig, dass sich alle Verkehrsteilnehmenden der Risiken von Cannabis im Straßenverkehr bewusst sind und verantwortungsvoll handeln. Dazu gehört, nach dem Konsum von Cannabis nicht mehr selbst am Straßenverkehr teilzunehmen, sondern auf den Bus, die Bahn oder das Taxi umzusteigen ", erläutert Stefan Grieger, Hauptgeschäftsführer des DVR.

Mehr Kontrollen und intensivere Präventionsarbeit

Die Polizeibehörden in Brandenburg, Bayern, Hamburg und NRW wollen die Kontrollen in Zukunft weiter erhöhen. Der DPolG-Vorsitzende Rainer Wendt fordert unter anderem verstärkte präventive Maßnahmen, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden zu gewährleisten.

Um die Verkehrsteilnehmenden umfassend über die Risiken von Cannabis im Straßenverkehr zu informieren, klärt die Initiative #mehrAchtung auf der Internetseite DontDriveHigh.de gezielt über die Gefahren des Cannabiskonsums im Straßenverkehr auf. Auch Runter vom Gas warnt auf Plakaten an Autobahnen davor, sich high ans Steuer zu setzen. Die Botschaft: Wer Cannabis konsumiert, darf nicht fahren – weder mit dem Auto noch mit dem Fahrrad, E-Scooter oder dem Motorrad. Die Kampagne warnt eindringlich vor der Wirkung von Cannabis, die über Stunden hinweg anhalten kann.

Drogen am Steuer: eine gefährliche Entwicklung

Der Einfluss aller berauschender Mittel auf den Straßenverkehr war schon vor der Cannabis-legalisierung deutlich: 2023 hatte es bundesweit 3.000 Verkehrsunfälle unter dem Einfluss von Drogen gegeben. 48 Verkehrsteilnehmende waren dabei gestorben, über 4.000 Menschen wurden verletzt, 959 davon schwer. Auch zwischen den frühen 1990er-Jahren und 2021 waren Verkehrsunfälle mit Personenschaden, bei denen Drogen im Spiel gewesen sind, um mehr als das Fünffache angestiegen.

Bilder: BMDV/DVR, Shutterstock