Erste Hilfe – Die 5 größten Irrtümer

Eins ist klar: Falsch ist nur die unterlassene Hilfeleistung.

14. März 2025
4 Minuten

Ein Motorrad liegt auf der Landstraße, einige Meter entfernt ein regloser Körper. Der verunglückte Biker braucht schnell Hilfe, das ist klar. Doch im eigenen Kopf überschlagen sich die Fragen: Was ist als Erstes zu tun? Den Puls messen, Hilfe holen? Und wenn er nicht mehr atmet?

Laut einer ADAC-Umfrage von 2021 traut sich die Hälfte der Befragten (52 Prozent) zu, Erste Hilfe leisten zu können. Doch bei einem fast ebenso großen Anteil (50 Prozent) liegt der letzte Kurs bereits mehr als zehn Jahre zurück. Daher ist im Ernstfall die Sorge groß, etwas falsch zu machen.

„Dabei gibt es beim Retten nur einen wirklich verhängnisvollen Fehler: nichts tun“, weiß Ralf Sick von der Johanniter-Unfall-Hilfe. Als Bereichsleiter organisiert er deutschlandweit die Erste-Hilfe-Kurse des gemeinnützigen Vereins, der 2019 rund 460.000 Menschen in lebensrettenden Maßnahmen ausbildete. Auf Runter vom Gas räumt Sick mit den fünf größten Irrtümern zur Ersten Hilfe auf.

1. Wer falsch hilft, macht sich strafbar

Nicht richtig. Wer nach bestem Wissen hilft, muss keine rechtlichen Konsequenzen befürchten. Im Gegenteil: Vorsätzlich unterlassene Hilfeleistung kann später mit Freiheits- und Geldstrafen geahndet werden.

„Auch wenn man nur den Rettungsdienst verständigt, hat man schon viel getan“, sagt Sick. Besonders wenn die verletzte Person nicht mehr atmet, können ihre Überlebenschancen durch jede Hilfe nur verbessert werden. Ohne Rettungsmaßnahmen sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit dagegen minütlich.

2. Beim Unfall sofort Erste Hilfe leisten

Falsch. Handeln Sie grundsätzlich in der Reihenfolge des Merksatzes: Schützen-Melden-Helfen. „Selbstschutz hat oberste Priorität“, sagt auch Sick. Das Risiko, als Ersthelfende im laufenden Verkehr verletzt zu werden, ist hoch. Ersthilfe beginnt daher mit dem Sichern der Unfallstelle: Schalten Sie den Warnblinker ein, drosseln Sie das Tempo und halten Sie vor der Unfallstelle. Ziehen Sie eine Warnweste an und steigen Sie vorsichtig aus Ihrem Fahrzeug. Verschaffen Sie sich einen Überblick über das Unfallgeschehen und stellen Sie vor der Unfallstelle ein Warndreieck auf. Innerorts am besten 50 Meter, auf der Landstraße 100 Meter und auf der Autobahn 150–400 Meter vor der Gefahrenstelle. Orientieren Sie sich dabei an den Örtlichkeiten: Liegt die Unfallstelle in einer Kurve oder hinter einer Kuppe, stellen Sie das Warndreieck davor auf.

Der zweite Schritt heißt: Rettungsdienst verständigen. Das Absetzen eines Notrufs ist gesetzlich verpflichtend. Europaweit gilt die Notrufnummer 112. Beantworten Sie im Gespräch die fünf W-Fragen:

  • Wo ist es passiert?
  • Was ist geschehen?
  • Wie viele Personen sind betroffen?
  • Welche Verletzungen gibt es?
  • Wer meldet den Unfall?
  • Anschließend: auf Rückfragen warten.

Erst dann sollte der Ersthelfende entsprechend seinen Fähigkeiten weitere Maßnahmen ergreifen. Verletzte – wenn möglich – hinter die Schutzplanke oder am Seitenrand der Fahrbahn in Sicherheit bringen. Bis zur Ankunft der Rettungskräfte bei Verletzten Wiederbelebungs- und Erste-Hilfe-Maßnahmen durchführen. Auch seelischer Beistand hilft: Unfallbeteiligte stehen oftmals unter Schock und sollten beobachtet und beruhigt werden.

3. Ohne Mund-zu-Mund-Beatmung keine Wiederbelebung

Nein. Das Wichtigste bei einer Wiederbelebung ist die Herz-Druck-Massage. „Die Herzmassage ist die zentralste Maßnahme der Ersten Hilfe überhaupt, sie kann die Überlebenschancen von Verletzten deutlich erhöhen“, erklärt Sick. Denn der Druck hält die Blutzirkulation und damit die Versorgung aller lebenswichtigen Organe aufrecht. Spätestens nach drei Minuten muss jedoch eine Beatmung erfolgen, um das Blut erneut mit genügend Sauerstoff anzureichern.

Auch bei dieser Hilfeleistung gilt: keine Angst vor Fehlern. Jede Massage ist besser als keine. Die Verschränkung der Finger ist nicht relevant, als Druckpunkt reicht die ungefähre Mitte des Brustbeins, innere Organe können, selbst wenn Rippen brechen, nicht verletzt werden. Wichtig ist nur, die Herzmassage ohne Unterbrechung durchzuführen – sich also im Zweifel mit anderen Helfenden abzuwechseln – und regelmäßig etwa 100–120-mal pro Minute kräftig auf den Brustkorb zu drücken.

4. Unfallopfer immer in die stabile Seitenlage bringen

Auch falsch. Die stabile Seitenlage ist nur dann angebracht, wenn die verletzte Person zwar bewusstlos ist, aber noch normal atmet. „Ringt der Verunglückte nach Luft oder hört auf zu atmen, sollte man ihn für die Wiederbelebung auf den Rücken legen“, weiß Sick. Für die Drehung in die Seitenlage kennt Sick statt komplizierter Anleitungen eine einfache Faustregel: Der Kopf muss überstreckt sein und der Mund der tiefste Punkt des Körpers.

So bleiben die Atemwege frei, und Blut oder Erbrochenes kann ablaufen. Auch in der Seitenlage darf man Verunglückte nicht alleine liegen lassen, ihre Atmung muss ständig kontrolliert werden.

5. Motorradfahrenden niemals den Helm abnehmen

Stimmt nicht. Ist der verunglückte Fahrende nicht ansprechbar, muss der Helm abgenommen werden. „Dieser Mythos hält sich sehr hartnäckig“, sagt Sick, „Dabei ist die Gefahr größer, im Helm an Erbrochenem zu ersticken, als durch das Abnehmen eine Lähmung zu erleiden.“

Am besten entfernt man den Helm zu zweit: Der eine Helfende hält den Kopf gerade, damit die Halswirbelsäule geschützt wird, der andere nimmt vorsichtig den Helm ab. Alleine ist es schwieriger, aber dennoch richtig. Auch ohne Unterstützung sollte man, so gut es geht, darauf achten, dass der Kopf nicht zur Seite fällt.

Und noch einen Tipp hat der Erste-Hilfe-Experte Sick: Um sich am Unfallort sicher zu fühlen und richtig helfen zu können, sollte man sein Wissen um lebensrettende Maßnahmen regelmäßig auffrischen – am besten alle zwei Jahre in einem Erste-Hilfe-Kurs.

Bilder: Adobe Stock, Shutterstock

Aktualisierte Fassung, ursprüngliche Veröffentlichung am 17.10.2016